Fachkräfte-Engpässe in Deutschland: Wer fehlt wo?
2. Juni 2023Soeben hat die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg ihre Fachkräftemangelanalyse für das vergangene Jahr veröffentlicht - mit teilweise erschreckenden Ergebnissen. So hat die Zahl der vom Mangel betroffenen Berufe binnen Jahresfrist um ein Viertel zugenommen.
Einen Mangel gab es bei Pflegeberufen, Kraftfahrern, medizinischen Fachangestellten, in Bauberufen genauso wie bei der Kinderbetreuung, der Kraftfahrzeugtechnik und bei IT-Berufen. Im Vergleich zum Vorjahr sind 2022 der Hotel- oder Gastronomieservice, der Metallbau und die Busfahrer dazugekommen.
Für die sogenannte Fachkräfteengpassanalyse betrachtet die Bundesagentur für Arbeit rund 1200 Berufsfelder und bewertet diese auf Basis von insgesamt 14 Indikatoren. Von Engpassberuf wird gesprochen, wenn sechs Indikatoren überwiegend auf einen Engpass hindeuten. Dazu zählen zum Beispiel die Besetzungsdauer gemeldeter Stellen, die berufsspezifische Arbeitslosenquote und die Entwicklung der Bezahlung.
Viele Stellen für wenige Fachkräfte
Der Start in das Jahr 2022 sei, so die Bundesagentur, vielversprechend verlaufen. Lieferengpässe schienen sich aufzulösen und die Folgen der Pandemie waren in vielen Bereichen ausgestanden. Der Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 sei dann aber ein einschneidendes Ereignis gewesen, als viele Menschen aus der Ukraine geflohen und unter anderem in der Bundesrepublik Schutz gefunden hatten.
Diese Entwicklung habe sich auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar gemacht. So sei mit der Erfassung ukrainischer Staatsangehöriger die Arbeitslosigkeit im zweiten Halbjahr 2022 gestiegen. Der Bedarf der Unternehmen nach neuen Arbeitskräften nahm trotz allem weiter zu und die Zahl der offenen Stellen erreichte mit fast zwei Millionen eine Rekordhöhe.
Suche nach Hochqualifizierten
Die Zahl der Engpassberufe sei aber ebenfalls auf einen Höchstwert, nämlich 200, gestiegen. Gut die Hälfte dieser Berufsgattungen mit einem Engpass sind Berufe auf Fachkräfteebene, ein gutes Viertel sind Spezialisten und ein Fünftel Experten. Nur für 153 Berufsgattungen werden derzeit keine Anzeichen auf Engpässe erkannt. Die Studie unterscheidet nach Fachkräften, nach höher qualifizierten und spezifisch ausgebildeten Spezialisten und nach Experten mit akademischer Ausbildung.
Ganz neu sind diese Erkenntnisse allerdings nicht. Bereits im April hatte das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (Kofa) des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Alarm geschlagen. Demnach hatten im vergangenen Jahr mehr als 630.000 offene Stellen für Fachkräfte nicht besetzt werden können, weil bundesweit keine entsprechend qualifizierten Arbeitslosen zur Verfügung standen. Grundsätzlich, so die IW-Experten, gelte auf dem Arbeitsmarkt derzeit die Regel: Je höher die geforderte Qualifikation, desto schwieriger wird die Besetzung offener Stellen.
Derzeit gebe es keine Belege für einen allgemeinen Arbeitskräftemangel, so die Fachkräftemangelanalyse der Bundesagentur. Das verfügbare Arbeitskräfteangebot übersteige die Nachfrage nach Arbeitskräften in etlichen Berufen sogar deutlich. Jedoch zeige sich auf dem Teilarbeitsmarkt für Fachkräfte im Vergleich zu früheren Jahren eine zunehmende Verknappung, was sich in einem deutlichen Anstieg der Zahl der Engpassberufe widerspiegelt.
Digitalisierung verschärft den Mangel
Für insgesamt 105 Berufsgattungen auf dem Anforderungsniveau Fachkraft hat die Bundeanstalt für 2022 einen Fachkräfteengpass ermittelt. Dazu zählten vor allem Pflegeberufe und medizinische Gesundheitsberufe sowie das Handwerk. Außerdem gab es Engpässe in Verkaufsberufen - vor allem im Lebensmittelhandel - sowie in der Gastronomie und bei Berufskraftfahrern.
Für insgesamt 56 Berufsgattungen auf dem Anforderungsniveau Spezialist wurden Engpässe identifiziert. Das betrifft vor allem Erzieher, Berufe in der Physiotherapie und Ergotherapie, Pflegeberufe sowie Berufe im IT-Bereich und in der Elektro- und Kommunikationstechnik.
Für insgesamt 39 Berufsgattungen auf dem Anforderungsniveau Experte wurde ein Fachkräfteengpass festgestellt. Bei Experten zeigen sich Engpässe bei Ärzten, in der Pharmazie, in der Sozialpädagogik, bei Lehrkräften an Berufsschulen oder auch im Bauwesen (Architekten und Bauingenieure). Weiterhin schlägt sich die zunehmende Digitalisierung in Fachkräfteengpässen in der Softwareentwicklung nieder.
Nur geringfügige lokale Unterschiede
Bei Fachkräften in Maschinenbau und Betriebstechnik habe es 2022 in keinem Bundesland Engpässe gegeben. In etlichen Bundesländern seien aber Anzeichen für Knappheiten erkennbar, die sich in den kommenden Jahren möglicherweise verstärken könnten.
Fachkräfte in Berufen der Fahrzeug-, Luft-, Raumfahrt- und Schiffbautechnik sind in allen Ländern knapp. Menschen mit Berufen der Energietechnik spielen in der anstehenden Energiewende in Deutschland eine bedeutende Rolle: In jedem Bundesland in Deutschland gab es 2022 einen Mangel an qualifizierten Energietechnikern.
In Pflegeberufen zeigen sich bereits seit Jahren bundesweite Engpässe. Eine mittelfristige Entspannung ist vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in Deutschland im Moment nicht absehbar. In der Heilkunde und der nicht-ärztlichen Therapie liegen die Engpässe vor allem bei der der Physio-, Ergo- und Sprachtherapie. Im Jahr 2022 gab es kein einziges Bundesland, in dem kein Engpass zu sehen war.
Besserung nicht in Sicht
Auch in den Berufen des Hochbaus und des Tiefbaus zeigte sich 2022 ein bundesweiter Engpass. In der Differenzierung nach Ländern lassen sich jedoch kleinere Abweichungen von der Bundesanalyse erkennen, wie z.B. in Berufen des Hochbaus in Berlin/Brandenburg. Inzwischen zeigen sich in allen Ländern Engpässe bei Architekten und Bauingenieuren
Bundesweit zeigen sich Engpässe im Bereich der IT-Experten schon seit Jahren und auch in der nahen Zukunft dürfte sich daran nichts ändern. Die Transformation dürfte den Bedarf an IIT-Experten vielmehr noch weiter verstärken. Im Jahr 2022 zeigten sich vor allem Engpässe im Bereich der Softwareentwicklung und Programmierung.