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"Fack Ju Göhte": Zu vulgär oder völlig normal?

Courtney Tenz db
25. Januar 2018

Die Debatte um den Markenschutz des Namens "Fack Ju Göhte" zeigt: Was für den einen normaler Sprachgebrauch ist, ist für andere ein vulgäres Schimpfwort. Warum das so ist, erklärt Forscherin Emma Byrne im DW-Gespräch.

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Filmstills Fack ju Göhte
Bild: Constantin Film Verleih

Die Filmtrilogie "Fack Ju Göhte" mit Hauptdarsteller Elyas M'Barek war mit mehr als 21 Millionen Kinobesuchern ein Mega-Kassenschlager in deutschen Kinos. Teil drei der Komödie um den Aushilfslehrer Zeki Müller und seine Chaotenklasse war mit fast sechs Millionen Besuchern der mit großem Abstand erfolgreichste Kinofilm 2017 hierzulande.

Constantin Film hatte im Jahr 2015 versucht, "Fack Ju Göhte" als Marke etwa für Spiele, Schreibwaren und Getränke in Europa schützen zu lassen. Das zuständige Markenamt lehnte dies aber mit der Begründung ab, der Filmtitel sei eine "anstößige Beleidigung, die einen hoch angesehenen Schriftsteller posthum beleidigt". Diese Woche nun bestätigte das zuständige EU-Gericht diese Entscheidung: Der englische Ausdruck "fuck you" (deutsch: "fick dich") und damit der gesamte Titel sei vulgär und könnte nichtsahnende Menschen schockieren.

Aber welche Rolle spielen vulgäre Ausdrücke tatsächlich in einer Sprache? Warum wird ein englischer Ausdruck von Muttersprachlern als anstößig empfunden, von anderen aber nicht?

Die britische Wissenschaftlerin Emma Byrne hat sich eingehend mit dem Thema Fluchen beschäftigt.

Deutsche Welle: Frau Byrne, warum findet ein English Native Speaker den Ausdruck "fuck you" vulgär, während ein deutscher Zuschauer ihn für einen Filmtitel völlig in Ordnung findet?

Emma Byrne: Das gibt es auch in Kanada. Wenn jemand in einem französischsprachigen Hörfunksender "fuck" sagt, wird das keine Geldstrafe nach sich ziehen. Bei englischsprachigen Sendern dagegen ist es verboten. Wenn ein Schimpfwort in einer anderen Sprache benutzt wird, hat es nie die gleiche emotionale Resonanz wie in der Ursprungssprache.

Aus der Neurowissenschaft wissen wir, dass es ein Fenster gibt, in dem Menschen die emotionale Wirkung gefühlsbeladener Begriffe und Schimpfwörter verstehen lernen. Dieses Fenster schließt sich kurz nach der Pubertät. Genauso läuft das auch ab bei Menschen, die emotional beladene Ausdrücke in Fremdsprachen lernen. Sie werden genauso auf Schimpfwörter reagieren wie in ihrer ersten Sprache. Wenn man aber dieses Schimpfwort erst als Erwachsener lernt, hat man keine verschwitzten Handflächen oder Herzklopfen wenn man vulgäre Sprache hört. Schimpfwörter in einer zweiten Sprache fallen harmloser aus und haben auch eine schwächere Wirkung auf den Hörer.

Filmszene aus Fack Ju Göthe 2: Chantal will sich neben einer Zapfsäule eine Zigarette anzünden.
Einer der Hauptcharaktere: Chantal raucht in "Fack Ju Göhte 2" direkt neben der ZapfsäuleBild: 2015 Constantin Film Verleih GmbH/Christoph Assmann

Moralvorstellungen und Tabus in unterschiedlichen Ländern und Kulturen sind aber auch einem Wandel unterworfen. Im britischen Sprachgebrauch wird der Ausdruck "fuck" als weniger schlimm gesehen als noch vor 20 Jahren. Das erkennt man daran, wie oft der Begriff in Sendungen benutzt und wie er von Hörern empfunden wird. Er ist mittlerweile ersetzt worden durch Begriffe, die sich auf die Herkunft beziehen, oder das Geschlecht. Die sind jetzt stärker, während Begriffe wie "fuck" und "shit" abgeschwächt sind, wenn auch nicht so sehr wie "damn" (verdammt).

Die Frage ist, ob das Wort wie es im Filmtitel erscheint - fack - zu vulgär ist und ob es vor allem in Deutschland so empfunden wird. Englische Schimpfwörter werden nicht nur in Deutschland benutzt, wo sie als weit weniger schlimm empfunden werden als im englischen Sprachgebrauch.

Nicht jeder werde den Namenszug als Witz empfinden, so das Gericht. Warum ist der eine beleidigt, der andere nicht? Warum ist das so subjektiv?

Das kommt auf so vieles an - Alter, Geschlecht und in welcher Kultur man groß geworden ist. Viele Tabus werden internalisiert. Blasphemie wird im britischen Englisch zum Beispiel kaum noch als beleidigend empfunden, außer vielleicht von Menschen jenseits der 60. Gleichzeitig ist für diese Altersgruppe das N-Wort [gemeint ist das englische Wort "Nigger", Anm. d. Red.] nicht annähernd so eine Beleidigung, wie es jüngere Menschen empfinden. Es gibt keinen universellen Standard was das Fluchen angeht: Allein die Erziehung bestimmt, wie man auf Fluchen reagiert.

Wird die emotionale Wirkung eines Schimpfwortes durch häufiges Hören abgeschwächt?

Ja, auf jeden Fall. Der Ausdruck verliert an Kraft, auf der Liste der schmutzigen Wörter rutscht er weiter nach unten. Umfragen belegen, dass er als weniger anstößig empfunden wird als in früheren Zeiten.

Dass ein Wort als weniger schlimm empfunden wird ist ein Zyklus: Es wird häufiger benutzt, nicht mehr so sehr als Tabu gesehen, und damit verliert es seine seelische Macht, und wird dadurch harmloser. Diesen Prozess durchlaufen alle möglichen Begriffe, auch blasphemische und solche, die Körperfunktionen beschreiben.

In Literatur und Kunst werden Charaktere oft durch eine bestimmte Sprache dargestellt. Im Klassiker "Sturmhöhe" markierte die englische Schriftstellerin Emily Brontë zum Beispiel keine Schimpfwörter mit Sternchen oder ähnlichem - sie war die erste, die das so machte, und es wurde nicht zensiert. Die Autorin wollte, dass der Leser emotional die Sprache ihrer Figuren erfährt.

Wenn Schriftsteller, Regisseure oder Künstler Selbstzensur üben ist das im Grunde genommen zum Nachteil der Figuren, die sie darstellen wollen, aber es ist auch ein Bärendienst am Publikum. Aus der Neurowissenschaft wissen wir, dass man ein Wort nicht einfach ein durch ein ähnlich klingendes Wort ersetzen kann und dabei erwarten, dass es dieselbe Wirkung hat. Nur wenn wir die echten, tabuisierten Wörter hören, verstehen wir die emotionale Intention des Sprechers.

Emma Byrne hat ein Faible für Neurowissenschaften und forscht zu Robotern und künstlicher Intelligenz. Sie schreibt für das Forbes Magazin und die Financial Times und hat 2017 das Buch "Swearing is good for you: The amazing science of bad language" veröffentlicht, in dem sie sich wissenschaftlich mit dem Fluchen befasst.

Das Interview führte Courtney Tenz.