Fahimeh Farsaie: "Wir waren naiv"
20. Februar 2004Seit der islamischen Revolution im Iran 1979 haben rund vier Millionen Iraner ihre Heimat verlassen. Allein in Südkalifornien, der weltweit größten iranische Exilgemeinde, leben rund 600.000 Iraner - in Deutschland sind es rund 100.000. Eine von ihnen, die Schriftstellerin Fahimeh Farsaie, lebt seit 1983 in Deutschland und seit über zehn Jahren in Köln.
Verlockende Versprechungen
Wenn Fahimeh Farsaie heute zurückblickt, ist sie erstaunt über die Naivität, mit der sie und andere iranische Intellektuelle damals die Revolution des Religionsführers Khomeini begrüßt haben. Doch die Versprechen Khomeinis aus dem französischen Exil hörten sich verlockend an: demokratische Wahlen, die Zulassung aller Parteien, Meinungs- und Pressefreiheit. "Vielleicht war die Naivität der Linken so stark, dass wir die Realität nicht so richtig wahrnehmen wollten", sagt Farsaie heute. Schließlich hätten gerade auch die Intellektuellen unter dem undemokratisches System des Schah-Regime gelitten - auch unter dem Kaiser von Persien wurden Andersdenkende ins Gefängnis gesteckt hat.
Fahimeh Farsaie hat unter dem Schah-Regime erlebt, was Verfolgung und Haft bedeuten. 18 Monate saß sie wegen der Veröffentlichung einer Erzählung im Gefängnis. "Es war eine Liebesgeschichte", erzählt sie, "doch ich habe in der Erzählung auch das damalige Schah-Regime und die menschenunwürdigen sozialen Verhältnisse kritisiert." Nach der Veröffentlichung ist sie damals zu einem Jahr Haft verurteilt worden - und saß noch sechs weitere Monate ohne Urteil im Gefängnis, weil sie einen Persilschein für das Schah-Regime nicht unterschreiben wollte: "Das war wirklich das Schrecklichste. Wenn man verurteilt wird, weiß man wenigstens, dass man in zehn Monaten oder in zehn Jahre irgendwie raus kommt. Die Ungewissheit war schrecklicher, als diese Haftzeit zu verbüßen."
"So brutal wie das Alte"
"Auch deshalb habe ich mich für die islamische Revolution 1979 eingesetzt", erzählt sie heute. Die ersten Verhaftungswellen unter dem neuen, islamischen Staat wurden von vielen Intellektuellen noch als Übergangsphänomen gesehen, doch bald zeigte sich das neue Regime mindestens so brutal wie das alte. 1983 war dann, nach fünf Monaten im Untergrund, für Fahimeh Farsaie klar, dass sie den Iran verlassen musste. Über Pakistan kam sie damals erst nach Ostberlin, dann nach Westberlin und hat dann in der Bundesrepublik Asyl erhalten.
"Ich lebe seit 1983 in Deutschland, weil ich gezwungen war zu flüchten. In der Zeit gab es eine Verhaftungswelle - mein Name stand auch auf der Liste. Ich war zufällig nicht da, als sie mich suchen kamen. Danach habe ich es aber mitbekommen und musste ungefähr fünf Monate lang im Untergrund leben. Dann haben sie eine Frist gesetzt und haben gesagt, dass diejenigen, die gesucht worden sind, sich bei der Wache melden sollen, sonst werden sie als vogelfrei behandelt."
Für sie war das Scheitern einer demokratischen Revolution im Iran auch eine persönliche Enttäuschung, hatte sie doch damals, wie viele andere Intellektuelle, die Revolution als Chance für Demokratie und Meinungsfreiheit gesehen: "Im Vergleich mit der Situation, die unter dem Schah-Regime herrschte, sind die Verhältnisse heute im Iran schlechter", sagt Farsaie. Bis heute ist die Meinungsfreiheit in der iranischen Verfassung festgeschrieben - doch in der Praxis werden Aussagen, die "den Prinzipien des Islam widersprechen", dem "Volkswohl schaden" oder "Autoritäten beleidigen" mit harten Sanktionen geahndet. "Reporter ohne Grenzen" setzten den Iran in seinem Index der Pressefreiheit des Jahres 2003 auf den 160. von 166 Plätzen, nur noch unterboten von China, Eritrea, Laos, Burma, Kuba und Nordkorea.
Kaum Hoffnung, aber Träume
Trotz Reformversuchen und trotz Protesten im heutigen Iran, 25 Jahre nach der islamischen Revolution, macht sich Fahimeh Farsaie keine großen Hoffnungen, dass sich bald etwas zum Besseren ändern wird. Sie hat sich auf das Leben im deutschen Exil eingestellt, hat sich über die Jahre langsam wieder eine Position als Schriftstellerin und Journalistin erobert. Sie macht sich keine Illusionen, dass ihr Exil in den nächsten Jahren vorbei sein könnte, obwohl sie immer noch von Rückkehr träumt: "Wenn sich die Verhältnisse verbessern, liberalisieren, und wenn ich mich dann halt als Frau und als Schriftstellerin in diesem Land wieder wohl fühlen würde, würde ich es jederzeit machen. Aber so lange diese undemokratischen Verhältnisse herrschen, kann ich mir nicht so gut vorstellen, wieder zurückzukehren."