Ist Omikron für Geimpfte ansteckender?
7. Januar 2022Die Infektionszahlen mit Omikron steigen in zahlreichen Ländern rapide an - und damit auch die Falschbehauptungen. Aktuell wird vielfach behauptet, dass sich Geimpfte eher anstecken als Ungeimpfte. Dazu werden Studiendaten herangezogen. Wir haben uns zwei konkrete Beispiele angeschaut.
RKI räumt Fehler in veröffentlichten Daten ein
"Die deutsche Regierung erklärt, dass 96 Prozent der Omikron-Fälle geimpft sind", schreibt ein Nutzer auf Twitter. Zusätzlich kursiert eine angebliche Grafik des Robert-Koch-Instituts im Netz, ein Tortendiagramm mit Daten vom 21. November bis zum 27. Dezember. Demnach waren 69 Prozent der Menschen in Deutschland, die sich mit Omikron infiziert haben, vollständig geimpft, 27 Prozent hatten sogar eine Auffrischimpfung - und nur vier Prozent waren ungeimpft. Doch sind die Zahlen wirklich echt?
Auf unsere Anfrage schrieb uns eine Pressesprecherin des RKI, dass die Grafik nicht vom Institut stammt - passende Zahlen dazu aber in einem Wochenbericht vom 30. Dezember 2021 veröffentlicht wurden.
"In der Tat enthielt der Abschnitt des Wochenberichts leider einen Fehler (statt 186 sind es 1.097 ungeimpfte Personen mit Omikron-Infektion)", schrieb die Sprecherin. Bei einer Aktualisierung sei dann noch eine Zahl vergessen worden und am 3. Januar nochmals verbessert worden. Diese Korrektur wird im aktualisierten Bericht deutlich gemacht.
So oder so seien die veröffentlichten Daten nicht dazu geeignet, die Impfeffektivität zu berechnen. Dabei verweist die Sprecherin auf die Webseite des RKI. "Mit steigender Impfquote sind unter den Erkrankten auch anteilsmäßig immer mehr Geimpfte zu erwarten", heißt es dort. Zudem beträgt die Wirksamkeit der Impfstoffe nicht 100 Prozent, schützt aber weitgehend vor schweren Krankheitsverläufen mit COVID-19.
Klar ist auch: Je mehr Infektionen es insgesamt gibt, desto mehr Infizierte wird es auch unter Geimpften geben. Schließlich sind 71,6 Prozent der Menschen in Deutschland (Stand 7. Januar) vollständig geimpft. Sogenannte Impfdurchbrüche heißen aber eben nicht, dass die Impfungen nicht wirken.
Boosterimpfung erhöht Schutz erheblich
Erste Studien zeigen zwar, dass die Impfstoffe gegen die Virusvariante Omikron nicht mehr so gut vor einer Infektion schützen wie bei anderen Varianten. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass eine Grundimmunisierung für eine gewisse Zeit vermutlich dennoch vor einem schweren Verlauf schützen kann.
Und es gibt eine weitere gute Nachricht: Erste internationale Studienergebnisse zeigen, dass eine Boosterimpfungden Schutz wieder deutlich anhebt. Eine Studie von Biontech/Pfizer kommt sogar zu dem Ergebnis, dass drei Impfungen gegen Omikron ähnlich wirksam sind wie zwei Impfungen gegen den Wildtypen des Virus.
Die Wirksamkeit von Boosterimpfungen bestätigt auch der Virologe Wolfgang Preiser im DW-Interview. Er gehört zu den Forschern in Südafrika, die die Omikronmutation entdeckt hatten. "Das Wichtige ist, dass wir [in Südafrika, Anm. der Red.] fast keine Geimpften auf der Intensivstation gesehen haben", erklärt Preiser. Und: Die Impfungen lieferten weiterhin einen guten Schutz vor Erkrankung oder dem Tod. Die Impfstoffe seien also weiterhin wichtig im Kampf gegen Corona.
Auch dänische Daten werden fehlinterpretiert
Impfkritiker ziehen aktuell auch gehäuft eine Studie aus Dänemark heran, die angeblich zeigen soll, dass die Wirksamkeit der Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna gegen Omikron nach drei Monaten sogar negativ ist. Ein Twitternutzer schreibt dazu: die Wahrscheinlichkeit einer Omikron-Infektion sei bei BioNTech-Geimpften um 76,5 Prozent höher ist als bei Ungeimpften - bei Moderna-Geimpften um 39,3 Prozent.
Die Studie, die noch nicht von weiteren Wissenschaftlern begutachtet wurde, beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern die beiden Impfstoffe gegen eine Infektion mit Omikron schützen. Die geschätzte Wirksamkeit in der Studie ergibt sich aus einem Vergleich der Infektionsraten von zweifach Geimpften und Ungeimpften in den ersten Wochen, nachdem die Variante in Dänemark entdeckt wurde.
Geimpfte verhalten sich teilweise anders als Ungeimpfte
Tatsächlich sinkt die Wirksamkeit der beiden Impfstoffe in der Studie nach drei Monaten in den Minusbereich. Wir haben mit Christian Holm Hansen gesprochen, Co-Autor der Studie und Epidemiologe des Statens Serum Instituts in Kopenhagen. Bei den negativen Werten handelt es sich Hansen zufolge um eine statistische Verzerrung.
"Ein Grund dafür, dass wir in der geimpften Bevölkerung eine höhere Inzidenz sehen, ist, dass Geimpfte sich häufiger testen lassen als Ungeimpfte", erklärt er. Damit würden dort auch mehr Fälle erkannt werden. Zudem dürften auch nur geimpfte und genesene Menschen reisen oder an Veranstaltungen teilnehmen - deswegen könnten sie sich dort auch eher anstecken. Das heiße aber nicht, dass sie sich wegen der Impfung eher anstecken könnten. Darauf hatten die Studienmacher auch in ihrer Studie hingewiesen.
Zudem ist auch in Dänemark der geimpfte Teil der Bevölkerung deutlich größer als der ungeimpfte. Etwa 79,46 Prozent der Menschen (Stand: 5. Januar) sind dort vollständig geimpft.
Neben der mathematischen Verzerrung weist die Studie aber auch eine weitere Schwäche auf. Sie untersucht nur, wie viele Menschen, ob geimpft oder ungeimpft, sich infiziert haben - unterscheidet aber nicht zwischen leichten oder schweren Krankheitsverläufen.
Fazit: Die Daten aus Deutschland und Dänemark beweisen nicht, dass die Impfstoffe nicht gegen Omikron wirken und die Corona-Variante für Geimpfte ansteckender ist als für Ungeimpfte. Sie werden manipulativ genutzt, um sich gegen die Impfungen auszusprechen. Die zugelassenen Impfstoffe wirken in ihrer Grundimmunisierung zwar schwächer gegen Omikron als gegen andere Varianten - bieten aber trotzdem einen relativen Schutz gegen schwere Verläufe. Erste Studien zeigen zudem, dass Boosterimpfungen den Schutz vor einer Infektion und schweren Krankheitsverläufen immens erhöhen.
Mitarbeit: Ines Eisele