Faktencheck: Sind FFP2-Masken schadstoffbelastet?
28. Mai 2021Dieser Beitrag wurde zuletzt am 28.05.2021 aktualisiert. Neuere Entwicklungen oder Daten wurden nicht berücksichtigt.
Woher kommt die Behauptung, FFP2-Masken seien giftig?
Der renommierte Chemiker und Umweltexperte Michael Braungart sorgte im Februar mit der Aussage für Aufsehen, dass FFP2-Masken und OP-Masken aufgrund ihrer Inhaltsstoffe teils gesundheitsschädlich seien. Der unter anderem an der Leuphana Universität Lüneburg tätige Professor für Verfahrenstechnik wurde in den Medien und sozialen Netzwerken zitiert mit den Behauptungen "Was wir da über Mund und Nase ziehen, ist eigentlich Sondermüll" und "Alles in allem tragen wir einen Chemiecocktail vor Nase und Mund, der nie auf seine Giftigkeit und niemals auf etwaige Langzeitwirkungen untersucht wurde".
Braungart bestätigte später, dies so in einem Hintergrundgespräch im Rahmen einer Pressekonferenz gesagt zu haben. Bei dem Termin ging es um die Vorstellung eines Start-ups, das er mit Leuphana-Studierenden gegründet hat und das nachhaltige Masken herstellen will. Einen Interessenkonflikt sieht der Wissenschaftler jedoch nicht, da er, wie er im Gespräch mit der Deutschen Welle betont, keinerlei Einnahmen mit dem Projekt erziele.
Michael Braungart, der ebenfalls Leiter des privaten Hamburger Umweltinstituts ist, einem gemeinnützigen Verein zur wissenschaftlichen Bearbeitung von Umweltthemen, erklärt gegenüber der DW, er und seine Kollegen hätten auf FFP2-Masken "flüchtige organische Kohlenwasserstoffe, optische Aufheller, Klebstoffrückstände undFormaldehyd in unterschiedlicher Weise" gefunden.
Diese Stoffe könnten unter anderem hormonell wirksam sein oder die Hautflora schädigen. Formaldehyd wird auch zur Konservierung von Leichen verwendet und wurde 2004 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als krebserregend für den Menschen eingestuft. Es könnten auch Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Chemikalien auftreten, warnt Braungart. "Die Masken werden überwiegend in Asien hergestellt, wo es für die Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit keine Qualitätssicherung gibt."
Auf welchen Daten basiert die Aussage?
Braungart betont im DW-Interview, dass seine Untersuchungen keine wissenschaftliche Aussagekraft haben, da sie nur stichprobenartig durchgeführt wurden. Man wisse zudem nicht, wie die Masken zuvor gelagert oder transportiert worden seien. Menschen hätten dem Hamburger Umweltinstitut die Masken zugeschickt, wenn sie vom Tragen Hautreizungen oder Erkrankungen bekommen hätten.
Der Leiter des Hamburger Umweltinstituts schätzt, dass es etwa 2000 Maskenhersteller in Asien gibt. Um eine ernstzunehmende statistische Aussage über Giftstoffe in Masken treffen zu können, müsste man Proben von mindestens 700 Herstellern kontrollieren, so Braungart. Hinzu komme, dass die Inhaltsstoffe der Masken sich von Charge zu Charge unterscheiden.
Welche Chemikalien in welcher Menge und in welchen Masken gefunden wurden, dazu macht Braungart keine genauen Angaben.
Deutsche Welle beauftragt eigenen Test
Um Braungarts Vorwürfen nachzugehen, hat die DW einen eigenen Masken-Test von einem akkreditierten Labor durchführen lassen. Ähnliche Tests hatte Anfang des Jahres WISO, das Service- und Wirtschaftsmagazin des ZDF, beauftragt, allerdings für medizinische Masken und Stoffmasken. Bei einer schwarzen Stoffmaske wurde damals der Giftstoff Anilin entdeckt.
Da die Kollegen vom ZDF also bereits OP-Masken und Alltagsmasken untersuchen ließen, beschränkt sich unser Test auf FFP2- und gleichwertige Masken. Insgesamt haben wir vier solcher Masken stichprobenartig überprüfen lassen: Zwei europäisch genormte FFP2-Masken von unterschiedlichen Herstellern, eine chinesisch genormte KN-95-Maske und eine Maske nach der amerikanischen Norm N-95.
Die Masken haben wir im Supermarkt, in der Apotheke sowie über Ebay und Amazon gekauft. Sie wurden auf folgende Inhaltsstoffe getestet: MAK-Aminie, Formaldehyd, Chlorparaffine, Phthalate/Weichmacher, Nickel, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und Schwermetalle.
Sind die Masken schadstoffbelastet?
Alle vier Masken, die wir getestet haben, entsprachen den gesetzlichen Standards und sind somit nach dem Bericht des Labors schadstofffrei. Das einzige, was gefunden wurde, ist ein sehr geringer Anteil Phenanthren in der Schriftfarbe auf dem Aufdruck der FFP-2 Maske, die wir im Supermarkt gekauft haben.
Phenanthren gehört zur Klasse der Polyaromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) und befindet sich auf der Liste besonders besorgniserregender Substanzen. PAK entstehen in der Natur bei unsauberen Verbrennungen von organischen Material wie Holz, Heizöl oder Tabak.
Veit Houben, der als Laborleiter für die Durchführung unserer Überprüfung verantwortlich war, erklärt, das solche Farbe sehr häufig erdölbasiert sei. "Und im Erdöl haben Sie eben einfach aufgrund der Produktion häufig diese Polyaromatischen Kohlenwasserstoffe als Beimischung dabei."
Dem Chemiker zufolge war die Konzentration von Phenanthren in der Maske so gering, dass sie unbedenklich ist. "Der Stoff war unter allen Limits, die gesetzlich oder auch in normalen Regelungen in der Textilbranche üblich sind. Nach allem, was wir getestet haben, kann man die Masken problemlos acht Stunden tragen und man hat dann keinerlei negative gesundheitliche Auswirkungen", so Houben. Dieses Ergebnis decke sich auch mit anderen Kontrollen, die das Labor vorgenommen habe.
Insgesamt kaum Belege für Schadstoffe in FFP2-Masken
Die Verbraucherorganisation Stiftung Warentest testete im März ebenfalls zehn FFP2-Masken. Auch bei diesem Test wurden keine Giftstoffe gefunden. Kerstin Effers von der Verbraucherzentrale NRW kann der DW auf Nachfrage ebenfalls keine weiteren Hinweise auf giftige FFP2-Masken liefern. "Leider wurden bisher nicht viele Schadstoffuntersuchungen von FFP2-Masken veröffentlicht. Die Ergebnisse der Stiftung Warentest zeigten aber, dass alle zehn untersuchten FFP2-Masken in Ordnung waren. Bei diesen Masken war eher die richtige Passform ein Problem."
Laborchef Veit Houben sagt, dass sich bei der Produktion von Schutzmasken relativ schnell ein gewisser Standard eingestellt hat. Er glaubt, dass eine große Mehrheit der Masken ein gleiches oder ähnliches Ergebnis hätte wie die vier im Auftrag der DW getesteten.
Damit widerspricht er Michael Braungart, demzufolge sich die Qualität der Masken ja von Charge zu Charge unterscheide. "Unserer Erfahrung nach ändert sich da eigentlich nicht mehr viel, wenn Sie einmal eine Produktion am Laufen haben", so Houben. Am Anfang der Pandemie hätten er und seine Kollegen noch Schadstoffe in manchen Masken gefunden. Doch bereits nach wenigen Monaten seien diese verunreinigten Produkte weitgehend vom Markt verschwunden.
Denn wie der Chemiker erklärt, hänge die Qualität der Masken von den Maschinen und Zutaten ab, die bei der Produktion verwendet werden. Im Umkehrschluss heiße das, dass sich die Qualität der Masken erst verändere, wenn der Produktionsprozess umgestellt werde.
Wie wird die Qualität von FFP2-Masken überprüft?
Rein rechtlich dürfen sich zertifizierte Schutzmasken nicht von dem Original-Baumuster unterschieden. Das Baumuster einer FFP2-Maske wird bei Prüfbehörden wie der Dekra untersucht. Erst wenn die Baumusterprüfung bestanden ist, erhält eine Maske die sogenannte CE-Kennzeichnung. Diese soll anzeigen, "dass ein Produkt vom Hersteller geprüft wurde und dass es alle EU-weiten Anforderungen an Sicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltschutz erfüllt" und berechtigt zum Verkauf in Europa. Braungarts Aussage, dass es für FFP2-Masken, die in Asien hergestellt werden, keine Qualitätssicherung für Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit gebe, ist somit nicht richtig.
Allerdings führen Prüfbehörden wie Dekra oder TÜV Nord in der Regel keine eigenen Labortests bezüglich der Inhaltsstoffe durch, sondern begutachten lediglich, ob die Masken laut Herstellerangaben konform mit EU-Regeln sind. Zu diesen Angaben gehören Zertifikate von unabhängigen Laboren, die belegen, dass in den Masken keine verbotenen oder giftigen Substanzen enthalten sind.
Alles in allem lässt sich nicht garantieren, dass wirklich jede FFP2-Maske in der EU frei von giftigen Stoffen ist. Um aber trotz CE-Kennzeichnung bedenkliche Stoffe in relevanten Mengen zu enthalten, müssten Hersteller Zertifikate fälschen oder anders produzieren als angegeben.
Die "Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin" (BAuA) weist jedoch darauf hin, dass sich auf dem Markt "noch immer auch Schutzmasken befinden, die die obligatorischen Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen nicht erfüllen" und keine oder eine gefälschte CE-Kennzeichnung haben. Über zurückgerufene Produkte informiert die BAuA in einer Datenbank. Auch die Europäische Kommission veröffentlicht auf ihrer Webseite Masken-Rückrufe.