Fassbinder-Muse: Schauspielerin Hanna Schygulla wird 75
Regisseur Rainer Werner Fassbinder mischte in den 1970er Jahren das deutsche Nachkriegskino auf - und Hanna Schygulla war sein Star. Die Zusammenarbeit mit ihm war der Anfang einer großen Karriere.
"Die Schygulla"
Bei nur sehr wenigen Frauen ist der Nachname zur Marke geworden: Marlene Dietrich etwa wurde nur "die Dietrich" genannt. Auch "die Schygulla" hatte eine sehr eigene Art, ihre Rollen zu verkörpern. Als "träumerisch und doch pointiert" wurde ihr Spiel bisweilen beschrieben. Obwohl sie über vierzig Jahre in Paris lebte, huldigen ihr auch heutige deutsche Regisseure wie Fatih Akin.
Erster Film mit Fassbinder: Katzelmacher (1969)
Für Regisseur Rainer Werner Fassbinder war die junge Hanna Schygulla inspirierende Muse und herausforderndes Schauspieltalent zugleich. Sie war sein Mittelpunkt: Hanna Schygulla spielte - in nur zwölf Jahren - in 23 Filmen von Rainer Werner Fassbinder mit und wurde zum europäischen Filmstar.
Fontane Effi Briest (1974)
Ihre Figuren lesen sich wie eine Reise durch die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts: Ob als Kindfrau Effi Briest in Fassbinders Fontane-Verfilmung von 1974, die an den gesellschaftlichen Normen im wilhelminischen Kaiserreich zerbricht, oder später als Sängerin Willie in Fassbinders "Lili Marleen", die als Star in Nazideutschland eine Affäre mit einem jüdischen Komponisten hat.
Herausfordernde Zusammenarbeit
Fassbinder liebte, verehrte und knechtete Hanna. In seiner oft impulsiven Unbeherrschtheit verlangte er am Set manchmal Unmögliches von ihr - nur um zu zeigen, dass er das Sagen hatte. "Eine leicht entzündliche Gewalt lag immer in der Luft. Er wollte immer wissen, wie weit er gehen konnte. Er hat mit dem Feuer gespielt", sagte Hanna Schygulla später.
Die Ehe der Maria Braun (1978)
Der Film markierte Fassbinders und Schygullas weltweiten Duchbruch. Für ihre Darstellung der Überlebenskünstlerin Maria Braun, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg als Bardame und Mätresse eines Industriellen durchs Leben schlägt, bekam Schygulla zahlreiche internationale Preise und ein "Filmband in Gold" der Deutschen Filmakademie.
Lili Marleen (1980)
In den 1970er und 1980er Jahren galt Hanna Schygulla als "Underground-Diva", die ihre Rollen mit einer Mischung aus naiver Unbekümmertheit und traumwandlerischer Sicherheit spielte. "Lili Marleen" wird der letzte gemeinsame Film vor dem frühen Tode Fassbinders 1982. Später arbeitete Schygulla mit internationalen Regie-Größen wie Jean-Luc Godard, Carlos Saura oder Ettore Scola zusammen.
Die Geschichte der Piera (1983)
Marco Ferrinis "Die Geschichte der Piera" zeigt sie auf dem Zenit ihrer Schauspielkunst: Für die Rolle einer abenteuerlustigen Mutter, die sich in zahllose Affären stürzt und damit die Familie sprengt, wird sie 1983 bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet.
Unter Frauen
Aber auch in Deutschland blieb sie weiterhin tätig. Unter anderem arbeitete sie mit Margarethe von Trotta, der bis heute erfolgreichsten deutschen Regisseurin. Selbstbewusst werden nun Geschichten konsequent aus weiblicher Perspektive erzählt.
Zusammenarbeit mit deutschen Regisseuren
Danach wurde es erstmal still um die Schauspielerin, sie zog sich aus dem Rampenlicht zurück und kümmerte sich - bis zu deren Tod - um ihre kranken Eltern. Fast zwanzig Jahre später drehte sie 2005 wieder in Deutschland. 2007 bekam sie für ihre Nebenrolle in Fathi Akins "Auf der anderen Seite" viel Kritikerlob.
Umzug nach Berlin
Seit 2014 wohnt die Schauspielerin in Berlin, im gleichen Jahr erschien ihre Autobiografie "Wache auf und träume". Inzwischen steht sie nur noch selten vor der Filmkamera. Hier liest sie 2014 beim Internationalen Literaturfestival im Berliner Haus der Festspiele Texte der griechischen Autorin Amanta Michalopoulos.
Ehre, wem Ehre gebührt
2010 bekam Hanna Schygulla auf der Berlinale den Goldenen Ehrenbären, 2017 den Ehrenpreis "Lebenswerk" des Deutschen Schauspielerpreises verliehen. Auf dem Foto ist sie zu sehen bei der Verleihung des 30. Europäischen Filmpreises im letzten Jahr. Ein Stück quicklebendige deutsche Kinogeschichte, "die Schygulla".