Fast so billig wie ein Freiflug
11. August 2002Wer bislang zu Preisen ab 10 Euro aus Deutschland wegfliegen wollte, musste sich zum Flughafen nach Hahn im Hunsrück, nach Lübeck oder Friedrichshafen begeben, um an Ziele in Italien, England oder Frankreich zu gelangen. Mit ihren Flugangeboten ohne Reisebüros und Bordmahlzeiten, die nur per Internet buchbar und deshalb gnadenlos günstig sind, sorgt die irische Fluglinie Ryanair schon länger für Aufsehen in der Branche.
Während Linienfluganbieter, die in der "Association of European Airlines" vertreten sind, im Vergleich zum Vorjahr im Schnitt einen Rückgang an verkauften Passagierkilometern von zehn Prozent zu verkraften hatten, kann Ryanair durchweg gute Zahlen vorweisen: So stieg der Umsatz im Vergleich zum vorherigen Geschäftsjahr bis Ende März 2002 um 28 Prozent, die Auslastungsquote erhöhte sich um vier auf 81 Prozent. Der britische Billigkonkurrent Easyjet kann ähnliche Erfolge melden, fliegt aber bislang nicht in Deutschland. Stattdessen will die Linie seine Wettbewerber Deutsche BA und Go–Fly kaufen, die deutsche Flughäfen bedienen.
Lufthansa steigt ein
Nun hat Eurowings, an der die Lufthansa zu 25 Prozent beteiligt ist, angekündigt, voraussichtlich noch in diesem Jahr eigene preiswerte Flüge anzubieten. Mit diesem indirekten Eintritt des deutschen Marktführers in das Billigfluggeschäft spitzt sich der Wettbewerb weiter zu, zumal auch der weltgrößte Reisekonzern TUI kurz vor einem Einstieg in das Marktsegment steht.
Eurowings wird voraussichtlich vom Flughafen Köln-Bonn aus starten. Aufsichtsrat und Vorstand des Unternehmens wollen kommende Woche über das Projekt entscheiden, die Zustimmung beider Gremien gilt jedoch bereits als sicher. Köln-Bonn ist für Billigfluglinien interessant, weil der Flugplatz über ein großes Einzugsgebiet verfügt und leicht zu erreichen ist. Die Ryanair-Basis Hahn liegt hingegen rund 120 Kilometer entfernt von Frankfurt am Main.
Auch die anderen Ziele im europäischen Ausland sollen nach Angaben von Eurowings zentral gelegen sein. "Es ist ja unsinnig, günstige Flüge anzubieten, wenn die Kunden die Anreise zum Abflug teuer bezahlen müssen", sagt ein Eurowings-Sprecher im Gespräch mit DW-WORLD. Zudem sei nicht nur bei Geschäftsreisenden eine zügige Anfahrt wichtig: "Wer einen Wochenendtrip macht, will schnell in der Stadt sein."
Der Tourismusriese TUI, der bis spätestens Mitte Oktober ebenfalls über den Start seiner Billigfluglinie in Deutschland entscheidet, führt als Standort auch Köln-Bonn ganz oben auf der Wunschliste. Die belgische Fluglinie Virgin Express von Richard Branson hat gleichfalls Interesse an diesem Flughafen geäußert.
Zehn Prozent Zuwachsraten
TUI-Vorstandschef Michael Frenzel rechnet auf dem Markt für Billigflüge mit jährlichen Zuwächsen von zehn Prozent bei Umsatz und Passagierzahlen. Andere Branchenkenner erwarten sogar Steigerungsraten von bis zu einem Drittel. Ein guter Grund für die grossen Flug- und Reiseunternehmen, endlich Flüge zu günstigen Preisen anzubieten.
Auch Probleme im bisherigen Geschäft treiben die Fluggesellschaften zur Neuorientierung. "Wir haben bei unserem Ferienflugverkehr Stornierungsraten von 20 Prozent", sagt Eurowings-Sprecher Matthias Burkhard. "Da müssen sie sich Alternativen überlegen, um die Flugzeuge voll zu kriegen."
Doch auch die Marktneulinge sind nicht untätig. Ryanair hat angekündigt, bereits im nächsten Jahr weitere Ziele in Europa anzufliegen. Auch innerdeutsche Flüge sollen dabei sein. Anzahl und Strecken stehen aber noch nicht fest.