Zweite Intifada
28. September 2010Noch im Jahr 1993 hatten sich Israel und die PLO in Oslo auf eine friedliche Beilegung ihres Konflikts geeinigt und eigentlich hätte diese Vereinbarung im Herbst 2000 zu weitgehender Selbständigkeit – wenn nicht bereits einem eigenen Staat - der Palästinenser führen müssen. Doch das Gegenteil war der Fall: Ende September brach der zweite Palästinenser-Aufstand, die "Intifada" in der Westbank und dem Gazastreifen aus und setzte eine Kette von Gewalt in Gang, wie diese Gegend sie bis dahin nicht gesehen hatte: In fünf Jahren kamen dabei über 6000 Palästinenser und rund 1000 Israelis um und die Fronten verhärteten sich so nachhaltig, dass dies bis heute nachwirkt.
Der Aufstand erhielt den Namen "Al-Aqsa-Intifada", weil er angeblich ausgelöst wurde durch den Besuch des damaligen Oppositionspolitikers und späteren Ministerpräsidenten Ariel Scharon auf dem Gelände der "Al Aqsa Moschee" auf dem Tempelberg, dem drittgrößten Heiligtum des Islam. Um dieses Gelände hat es seit der Eroberung durch Israel 1967 immer wieder Streit gegeben, weil hier auch einst der jüdische Tempel gestanden hatte – die wichtigste heilige Stätte des Judentums. Daher hatten nationalistische Israelis immer wieder Anspruch darauf erhoben und die Muslime mussten befürchten, dass der Besuch Scharons die Vorbereitung einer kompletten Übernahme der Gegend durch Israel war.
Kein spontaner Aufstand
Nur Stunden nach dem Besuch Scharons brachen die ersten Demonstrationen aus und weiteten sich rasch auf die palästinischen Gebiete aus. Doch selbst der damalige Kommunikationsminister, Imad Faluji, erklärte einige Wochen später, dass die Zweite Intifada kein spontaner Aufstand war: "Wer glaubt, dass diese Intifada mit dem verabscheuungswürdigen Besuch von Scharon an der Al Aqsa Moschee begonnen hat, der irrt sich: Dies war nur der Strohhalm, der die Geduld des palästinensischen Volkes zerbrach. Die Intifada wurde bereits vorbereitet, seitdem der Präsident von den letzten Gesprächen in Camp David zurückgekommen war, wo er sich Präsident Clinton widersetzt hat und die amerikanischen Bedingungen im Herzen Amerikas zurückgewiesen hat!"
Neuer Versuch zum Frieden
Die Gespräche von Camp David hatten vom 11. bis 25. Juni 2000 stattgefunden. Der damalige US-Präsident Bill Clinton hatte offenbar gehofft, auch Israelis und Palästinenser in seinem Sommersitz zu einer Beilegung ihres Konflikts zu bewegen, so wie es Jimmy Carter einst gelungen war, dort den Frieden zwischen Ägypten und Israel zustande zu bringen. Es gehe darum, eine Einigung zwischen Ministerpräsident Ehud Barak und PLO-Chef Yassir Arafat zu erzielen, für die beide dann ihrerseits in ihrer Heimat werben und sie durchsetzen müssten, kündigte Clinton damals an.
Doch die Wiederholung gelang nicht: Israels damaliger Ministerpräsident und heutiger Verteidigungsminister Ehud Barak und PLO-Führer Yassir Arafat fanden nicht zueinander. Barak behauptet zwar bis heute, er habe den Palästinensern über 90 Prozent der seit 1967 besetzten Gebiete im Austausch gegen Frieden angeboten, dies wird von den Palästinensern aber bestritten. Sie betonen, dass die Bedingungen Baraks unannehmbar gewesen seien: Er habe unter anderem Anspruch auf ganz Jerusalem erhoben und ein Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge abgelehnt. Dinge, die auch Arafat-Nachfolger Mahmud Abbas heute nicht akzeptieren kann.
Barak und Arafat kehrten mit leeren Händen zurück und der Palästinenser-Präsident kündigte damals an, dass sein Volk den Marsch nach Jerusalem, der Hauptstadt eines unabhängigen palästinensischen Staates, fortsetze, egal ob dies akzeptiert werde oder nicht.
1558 Tage Gewalt
Barak wiederum war nicht in der Lage, der Intifada zu begegnen und er unterlag bei vorgezogenen Wahlen im Februar 2001 dem damaligen Likud-Führer Ariel Scharon. Dieser verschärfte den Kampf gegen Arafat, er erklärte diesen zu einer politischen "Nichtperson", belagerte und bombardierte dessen Amtssitz in Ramallah und weigerte sich, Verhandlungen mit ihm wieder aufzunehmen.
Das Ausland kritisierte Scharon zwar dafür, tat aber nichts dagegen und Arafat verlor langsam an Einfluss im Ausland. Am 11. November 2004 starb er, erst Monate später kam es zwischen seinem Nachfolger Mahmud Abbas und Scharon zu einem Treffen. Am 8. Februar 2005 vereinbarten beide im ägyptischen Scharm-el-Scheich einen Waffenstillstand. Seitdem gilt die Zweite Intifada offiziell als beendet. Ihre Folgen sind aber bis heute zu spüren – im tiefen gegenseitigen Misstrauen beider Seiten und in ihrer anhaltenden Unfähigkeit, die Vision von Oslo 1993 zur Realität werden zu lassen.
Autor: Peter Philipp
Redaktion: Ina Rottscheidt