Auf höchstem Niveau sind es die kleinen Dinge, die den Unterschied machen. Eine Fußball-Binsenweisheit, für die sofort fünf Euro ins Phrasen-Schwein gehören. Aber sie ist wahr. Das musste der FC Bayern München beim bitteren 1:2 (1:1) im Halbfinalhinspiel der Champions League gegen Real Madrid kleinlaut feststellen. Hier zwei Fehler in der Defensive, dort zwei drei leichtfertig vergebene Torgelegenheiten und schon ist der Traum vom Finale der Königsklasse fast schon ausgeträumt. "So viele Riesenchancen hatten wir nicht mal gegen Hannover letzte Woche", sagte ein konsternierter Joshua Kimmich. Der Bayern-Verteidiger, der nach einem Konter selbst für das einzige Tor der Gastgeber sorgte, legte damit zielsicher den Finger in die Wunde: Der FC Bayern hatte Effizienz zuletzt gar nicht nötig.
Im Wortsinn spielend leicht holten sich die Bayern mal wieder weit vor Ende der Saison den Titel in der Bundesliga. Satte 22 Zähler beträgt aktuell ihr Vorsprung auf den Tabellenzweiten FC Schalke 04. Die sechste Meisterschaft infolge holte der FC Bayern en passant, manche Siege wirkten gerade zu mühelos. Durch etwas Losglück blieb den Bayern auch in der Champions League ein echter Härtetest erspart – sieht man einmal vom krachend verlorenen Hinspiel bei Paris Saint Germain in der Gruppenphase ab (im Rückspiel ging es schon um nichts mehr). Seitdem waren echte Herausforderungen Mangelware. Und das ist ein Problem.
Wer nicht gefordert wird, verliert an Spannung
Dem FC Bayern fehlen auf nationaler Ebene echte Gegner. Teams wie Borussia Dortmund oder Bayer Leverkusen werden mit einem halben Dutzend Toren nach Hause geschickt. Peinlich. Der Bundesliga fehlt es - das bewiesen die übrigen Europoapokal-Teilnehmer ziemlich eindrucksvoll - an Qualität. Und so trifft die Kaltschnäuzigkeit von Real Madrid den FC Bayern leider etwas unvorbereitet. Denn egal wie gut ein Leistungssportler ist, wird er nicht gefordert, fällt die Spannung ab und seine Leistung damit auch. Genau das ließ sich in München beobachten.
Mit der Führung durch Kimmich im Rücken verschätzte sich Bayerns Mittelfeld-Rückgrat Javier Martinez kurz vor der Pause gehörig und ermöglichte so Madrids Marcelo den Ausgleich. Nach dem Seitenwechsel rutschte Bayerns Aushilfs-Linksverteidiger Rafinha weg, woraufhin Marco Asensio frei vor Bayern-Keeper Sven Ulreich problemos zur Führung traf. Wer dann noch wie Robert Lewandowski in der 88. Minute frei vor Real-Torwart Keylor Navas vergibt, muss sich nicht wundern, wenn im Halbfinale Endstation sein sollte. Natürlich gehörten zu den kleinen Dingen, die beim FC Bayern missglückten, auch zwei, für die sie nichts konnten: Die frühen Verletzungen von Arjen Robben und Jerome Boateng brachten den FCB spürbar aus dem Takt.
Und dennoch: Der Grund für diese Niederlage war nicht Pech und auch nicht ein übermächtiges Real Madrid. "In erster Linie waren wir es selbst", brachte es ein rhetorisch wie immer treffsicherer Thomas Müller auf den Punkt. Die Gute Nachricht zum Schluss: Damit hat es der FC Bayern München immer noch selbst in der Hand. Wenn München binnen einer Woche auf den Modus Ernstfall umschalten kann, ist noch alles möglich. Real Madrid ist verwundbar. Auch das hat dieses Spiel gezeigt.
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