Ein Fingerzeig, mehr nicht
18. Oktober 2017Was ein Trainerwechsel doch ausmachen kann. Seitdem Jupp Heynckes den entlassenen Carlo Ancelotti ersetzt hat, spielen die Bayern wieder Fußball. Also richtig mit Rennen, Kämpfen und Konzept. Das war unter dem Maestro aus Italien zuletzt nicht immer der Fall. Denn das Team spielte nicht mehr für ihn, manche vielleicht sogar gegen ihn. Der Star-Trainer, der bereits drei Mal die Champions League gewinnen konnte, hatte Führungsspieler wie Robert Lewandowski, Arjen Robben, Franck Ribéry und Thomas Müller verprellt und sogar gegen sich aufgebracht. Das konnte nicht lange gut gehen. Nach so viel Zwietracht brauchte es dringend einen, der die Mannschaft wieder einen kann.
Jupp Heynckes, der mit dem Versprechen von Stabilität antrat ("Wir müssen erst mal schauen, dass die Mannschaft gefestigt wird") hat in den ersten Tagen seiner bereits vierten Amtszeit in München schon viel erreicht. Zwei Siege, 8:0 Tore und vor allem wieder Ruhe im Verein - besser hätte es zum Einstand nicht laufen können. Grund dafür sei, so ist es derzeit überall zu lesen, der seriöse und bewährte Ansatz des Meistertrainers: Mehr Konditions- und Krafttraining, Handy-Verbot bei Essen und Massage und ein strafferer Tagesablauf waren die ersten Änderungen des Bayern-Coaches. "Wir fangen jetzt mit 10 Uhr um eine Stunde früher als unter Ancelotti an. Die Abläufe in dieser Zeit sind unter Heynckes nun ein bisschen anders", berichtete Fitness-Coach Holger Broich der "Bild"-Zeitung.
"Wir wissen, was wir an ihm haben"
Und auch die Spieler stimmten nach dem souveränen 3:0 (2:0)-Sieg gegen Celtic Glasgow gleich mit ein in das Loblied auf den Coach. "Er kennt den Verein und viele unserer Spieler. Er weiß, was es braucht, um Stabilität in die Mannschaft zu bringen. Wir wissen, was wir an ihm haben", säuselte Arjen Robben, dessen Position unter Heynckes nicht mehr zur Debatte steht. Gleiches gilt für Thomas Müller, der das Vertrauen von Jupp Heynckes gleich mit seinem 40. Champions-League-Tor zurückzahlte (17. Minute): "Die Einstellung hat gepasst. Wir haben von Anfang an Gas gegeben. Wir hatten Zug nach vorne drin", lobte Müller gleichermaßen das Team wie den Trainer.
Bei allem Sich-auf-die-Schulter-Klopfen wird eines schnell übersehen: Die Siege gegen Freiburg und Glasgow waren verdient, aber auch keine große Schwierigkeit. Beide Teams dürfen aus Sicht eines FC Bayern München getrost als Aufbaugegner betrachtet werden. Der SC Freiburg ergab sich in der Allianz Arena fast ohne Gegenwehr und machte dem FC Bayern das Toreschießen nur allzu leicht. Glasgow fand in der ersten Halbzeit des Champions-League-Heimspiels kaum statt, 11:1 lautete das Torschussverhältnis nach 45 Minuten. Die Kopfball-Tore von Joshua Kimmich (29.) und Mats Hummels (51.) wirkten fast wie Szenen eines Trainingskicks. So konnten die Bayern ihr Spiel über die Außen wieder neu beleben, alte, gut einstudierte Spielzüge wieder auferstehen lassen. Die Gegner von der Insel sahen meist ehrfürchtig zu und der FCB kam zu zahlreichen Torchancen. Nur Celtic-Schlussmann Craig Gordon verhinderte eine deutlich höhere Pleite der Schotten.
Triple-Träume verbieten sich - vorerst
Wie viel Aussagekraft haben die beiden Bayern-Siege nun also? Sie ist begrenzt. Die Trendwende hat Jupp Heynckes damit vollzogen. Das Momentum der zurückgekehrten guten Laune spricht für seine stets besonnene Art und allseits anerkannte Arbeit. Aber die echten Prüfsteine kommen erst noch. Ende Oktober geht es in Pokal und Bundesliga gleich zwei Mal gegen RB Leipzig, direkt danach folgt Anfang November Borussia Dortmund und zu Beginn der Adventszeit kommt es zum großen Re-Match mit Paris Saint-Germain. Gegen diese drei offensiv- und laufstarken Gegner wird sich zeigen, wie sattelfest die Bayern-Abwehr wirklich schon ist, ob die betagte Flügelzange noch sticht und ob Heynckes Spielsystem auch auf modernes Tempo-Pressing Antworten kennt. Bis dahin verbieten sich sämtliche Triple-Träume.