FDP - was nun?
25. September 2013In der Elefantenrunde war kein Platz mehr für die winzig kleine FDP. Bei der traditionellen Fernsehdebatte am Wahlabend treffen sich die Vorsitzenden jener Parteien, die es in den Bundestag geschafft haben. Aber die FDP hat es nicht geschafft. Sie ist raus aus dem Parlament und wird damit zunehmend auch aus dem Fokus der Öffentlichkeit rücken.
Das ist eine bittere Aussicht für eine Partei, die 64 Jahre lang ununterbrochen im Deutschen Bundestag vertreten war. Die FDP prägte das Land bereits, als es noch im Entstehen begriffen war: Bei der Formulierung des Grundgesetzes, der deutschen Verfassung, setzte sie unter anderem die Freiheitsrechte durch. Und es bedurfte des Drucks der liberalen FDP, um die Bundesrepublik in den 50er Jahren zu einer Marktwirtschaft zu entwickeln. "Sternstunden der FDP" seien das gewesen, sagt Jürgen Dittberner, langjähriges Mitglied und Chronist der Partei, im DW-Gespräch.
Erfolgreiche Funktionspartei
Über die Jahrzehnte profilierten sich die Liberalen dann weiter als sogenannte Funktionspartei. Ihre "Funktion" war es, für die beiden großen Volksparteien CDU und SPD als Koalitionspartner zur Verfügung zu stehen und ihnen so eine Regierungsmehrheit zu verschaffen. Mittlerweile gibt es andere Parteien, die diese Funktion übernehmen können, doch im Dreiparteiensystem der alten Bundesrepublik kam es auf die FDP noch an. Dementsprechend war keine Partei häufiger an der Regierung beteiligt als die FDP. Sie stellte Vizekanzler und Minister und zweimal sogar das deutsche Staatsoberhaupt: die Bundespräsidenten Theodor Heuss und Walter Scheel waren beide Liberale.
2009 feierte die FDP ihren größten Triumph: Bei der Bundestagswahl erzielte sie 14,6 Prozent der Stimmen, das war Rekord. "Soviel konnte die FDP nicht vertragen. Das hat sich jetzt gezeigt", sagt Jürgen Dittberner. Wie ein zu weit aufgeblasener Luftballon ist der Wahltriumph zerplatzt. Weil die Partei ihre Wahlversprechen wie Steuersenkungen in der Regierungskoalition mit CDU/CSU nicht eingelöst hat, aber auch weil sie sich zu einseitig positioniert hat. "Sie ist immer mehr eingeengt worden auf eine Klientelpartei, die vor allem für die Reichen, die Erfolgreichen, die Unternehmer da war. Aber das war zu wenig", meint Jürgen Dittberner.
Liberale Konzepte fehlen
"Erhebliche programmatische Defizite" erkennt auch der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt im Gespräch mit der Deutschen Welle. Zu sehr habe die Partei auf das Thema Wirtschaftsliberalismus gesetzt und sich auf die Freiheit der Märkte konzentriert. "Was auf der Strecke blieb, war die Vorstellung, dass zur Freiheit auch die Freiheit der sozial Schwachen gehört, gesichert leben zu können. Dass auch soziale Gerechtigkeit eine Vorbedingung für wirkliche Freiheit ist." Dass die FDP bei diesen Themen blass geblieben ist, ist umso schwerwiegender, weil ihre alten Grundpositionen wie die Forderung nach Freiheit und Rechtsstaatlichkeit längst Gemeingut der demokratischen Parteien in Deutschland sind.
Politikwissenschaftler Patzelt ist der Meinung, dass die FDP nun vor allem mit den Grünen in den Kampf um Wählerstimmen treten muss. Diese hätten sich einen fast "monopolistischen" Zugang auf das gebildete, moderne Bürgertum verschafft und zwar mit liberalen Ideen wie der Forderung nach einer freien Entfaltung etwa beim Thema Familie und Sexualität. Hier müsse die FDP angreifen. "Wo haben wir ein liberales Energiekonzept? Wo haben wir ein liberales Konzept der sozialen Gerechtigkeit? Wo haben wir ein liberales Nachhaltigkeitskonzept?" fragt Patzelt. Eine Antwort muss die FDP geben und das möglichst schnell.
Plattformen finden
Doch selbst wenn sie es schafft, ein modernes Konzept des Liberalismus zu entwickeln, wird es schwer, dieses Konzept unter die Leute zu bringen. Ohne Bundestagsdebatten, Elefantenrunden und die damit verbundene mediale Aufmerksamkeit fehlen der FDP die Plattformen. Das gilt nicht nur auf Bundesebene: Auch bei den Wahlen der Landesparlamente musste die FDP zuletzt eine Serie von Verlusten hinnehmen: in sieben von 16 Landtagen ist sie nicht vertreten. An einer Regierung beteiligt ist sie nur noch in dem Bundesland Sachsen.
So muss die FDP auf die üblichen Mittel der Nicht-Bundestagsparteien zurückgreifen. "Das heißt, Führungsfiguren aufstellen, die einen gewissen medialen Unterhaltungswert haben. Sie muss Kongresse abhalten zu Themen, die die Aufmerksamkeit der Journalisten finden und Themen so besetzen, dass es den Feuilletons Spaß macht über die Themen der FDP zu diskutieren", erläutert Werner Patzelt von der TU Dresden. Dass die Partei dafür neue Führungspersönlichkeiten braucht, ist für Patzelt keine Frage. Die "eklatanten personalpolitischen Fehlentscheidungen" in den vergangenen Jahren seien ein wichtiger Grund für das miserable Abschneiden bei der Bundestagswahl gewesen.
Die kleine FDP steht also vor einen großen Aufgabe. Wenn sie es tatsächlich schaffe, 2017 wieder in den Bundestag hineinzukommen, wäre das eine große Leistung, sagt FDP-Experte Jürgen Dittberner. "Und wenn ihr das wieder nicht gelingt, dann sieht es ganz schlecht aus für die FDP."