Arbeiten auch als Rentner
16. Dezember 2012Günter Hüsken muss auch mit 72 Jahren noch als Gärtner arbeiten, weil seine Rente gerade einmal ausreicht, um die Miete zu bezahlen. "Wenn ich mir nicht was hinzuverdiene, dann bin ich echt arm dran", erzählt Hüsken. Er hat als Waisenkind keine hochwertige Ausbildung genossen und sein ganzes Leben in schlecht bezahlten Jobs körperlich gearbeitet. Unter anderem als Bademeister. Heute klagt Hüsken über körperliche Beschwerden. "Die Knie tun weh und der Rücken schmerzt. Und wenn der Rücken nicht mehr mitmacht, ist es aus." Hüsken hat nach seiner Scheidung drei Kinder groß gezogen, aber die will er nicht um Hilfe bitten. "Das wäre mir zu peinlich".
Viele ältere Menschen schämen sich
Über ihre Situation möchten die wenigsten sprechen, die noch jenseits der 70 arbeiten müssen. Das hat auch der Journalist Marcus Weller erfahren, der etliche noch tätige Senioren für eine Fernsehdokumentation begleitet hat. "Viele haben dem Projekt aus Scham abgesagt", berichtet Weller. Dabei hätten alle Personen, mit denen er sprach, immer hart gearbeitet. "Es lag definitiv weder an Faulheit noch an einem Missbrauch des Sozialstaats. Es ist ein Fehler im System“, sagt Weller. Ein ehemaliger Polier erteilte dem Dokumentarfilmer während seines Altersjobs als Treppenbauer eine klare Absage an Überlegungen, das Renteneintrittsalter von jetzt 67 Jahren noch später einsetzen zu lassen. "Das ist überhaupt nicht möglich. Diese Schinderei den ganzen Tag ist tödlich." Rücksicht nähmen jüngere Kollegen auf die älteren Mitarbeiter in keinem Fall. "Du musst auch raus, wenn es regnet".Arbeiten im Alter auch aus Spaß
Sicher gibt es auch ältere Menschen, die noch arbeiten, weil sie einfach unter Leuten sein möchten. So hat Marcus Weller eine betagte Dame getroffen, die mit 70 als Putzfrau in einem Kölner Callcenter gearbeitet hat. "Ich in Rente gehen? Nie im Leben, weil ich gern gesehen bin", sagte die Frau voller Überzeugung vor Wellers Kamera. Auch der Drechslermeister Klaus Weber steht noch mit 75 an seiner Werkbank im sächsischen Ort Seiffen. Er freut sich, dass er Spielzeug aus Holz in seiner Werkstatt bei sich zuhause fertigen kann. "Es macht mir wirklich Freude, ich habe meinen Rhythmus und es tut mir gut". Ansporn für Weber ist hauptsächlich, dass sich die Menschen sehr über die Dinge freuen würden, die er noch herstellt.Erschreckende Perspektiven in Deutschland
Die Tatsache, dass immer mehr Menschen jenseits der Rentengrenze arbeiten, beschäftigt in Deutschland die Politik, die Gewerkschaften und viele Sozialforscher. Das Deutsche Zentrum für Altersfragen (DZA) hat die Lebenslagen älterer Menschen untersucht. "Arbeiten im Alter ist kein Phantomproblem", sagt Claudia Vogel, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Zentrum für Altersfragen.
Claudia Vogel stellt fest, dass die Altersarmut in den letzten zehn Jahren zugenommen hat. Dazu verweist sie im Interview mit der Deutschen Welle auf offizielle Statistiken. Danach erhalten immer mehr Menschen eine sogenannte "Grundsicherung". Bei Einführung dieser staatlichen Hilfe seien gerade einmal 250.000 Bürger bezugberechtigt gewesen. Heute seien es 440.000. Der Grund, wie das DZA herausfand, seien die gestiegenen Beschäftigungen im Niedriglohnbereich. Jobs als Fahrer, Packer oder Krankenpfleger ließen kaum finanziellen Spielraum, um sich eine ausreichende Rente aufzubauen.
Frauen und Migranten besonders gefährdet
Vor allem Frauen seien von Altersarmut betroffen, weil sie für Kindererziehung oder Hilfe für pflegebedürftige Eltern ihre Berufstätigkeit unterbrochen und dadurch Verluste bei ihrer Rentenversorgung aufgebaut hätten. Sorge bereitet Claudia Vogel auch, dass der Anteil derer, die im Alter finanziell kaum Chancen hätten, unter Menschen mit Migrationshintergrund besonders hoch sei. 30 Prozent seien betroffen, während die Quote bei einheimischen Bürgern nur rund zehn Prozent betrage. Die Antwort auf diese Situation sei nicht in privater Vorsorge zu suchen, denn die könnten sich nur wenige leisten. Zudem seien Finanzprodukte der privaten Vorsorge riskant oder wenig gewinnbringend. Der Politik empfiehlt die Sozialforscherin in jedem Fall ein umlagegestütztes Rentensystem zu stärken, dass die Lasten in der gesamten Gesellschaft gerechter verteile. Im Berliner Regierungsviertel werden die Konsequenzen aus der gesellschaftlichen Entwicklung noch für viel Streit sorgen, bis allen Betroffenen dauerhaft geholfen ist.