Feilen an Klimaschutzzielen
1. Juni 2015Es dreht sich um 90 Seiten. 90 Seiten als Vorlage für das Vertragswerk über ein verbindliches Klimaschutzabkommen. Bei der Weltklima-Konferenz im Dezember in Paris soll es von 195 Staaten unterzeichnet werden und das auslaufende Kyoto-Protokoll ersetzen.
Sollte es zu keiner Einigung kommen, befürchten Klima-Experten, dass die Erdatmosphäre auf mehr als zwei Grad ansteigen wird. Als Vergleichsgröße dient den Klimaforschern die Zeit vor der industriellen Revolution. Ein Anstieg auf über zwei Grad hätte weitaus dramatischere Folgen, als die Auswirkungen, die bisher weltweit spür- und messbar sind, so Klimaexperten.
"Wir brauchen eine klimaneutrale Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts", fordert Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die sich für verbindliche Ziele einsetzt: "Wenn wir die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzen wollen, wenn wir uns gemeinsam dieses Ziel setzen, dann wäre das ein starkes Signal und das richtige Signal."
Unverbindliche Ziele
Rund 20.000 Klimaexperten treffen sich auf der zehntägigen Konferenz in Bonn vom 01. Juni bis zum 11. Juni, um Formulierungen für das Protokoll in Paris zu erarbeiten. Die große Teilnehmerzahl macht eine Einigung nicht einfacher. Zu unterschiedlich sind die Interessen, um daraus einen gemeinsamen Text zu formulieren.
Inhaltlich geht es um Regelungen zur Anpassung und Schadensbegrenzung des Klimawandels. Aber auch Technologien zur Emmissionsvermeidung werden diskutiert. Auch Umweltbildung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit sollen gefördert werden. So will das Klima-Sekretariat beispielsweise mit einem Filmwettbewerb junge Menschen auffordern, inspirierende Geschichten zu Klimaaktionenzu präsentieren.
Im Entwurf des Paris-Protokolls ist festgeschrieben, dass sich alle Staaten freiwillig bis 2030 auf die Verringerung von Emissionen festlegen. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius appellierte zum Auftakt der Konferenz in Bonn nochmals an die Bereitschaft aller: "Ein verbindliches Abkommen, mit dem Ziel, die globale Temperatur um weniger als zwei Grad zu erhöhen, wäre ein fantastischer Erfolg. Das hat es nie vorher gegeben."
Zweifel bleiben
Kritiker wie die Hilfsorganisation Oxfam zweifeln jedoch am Willen der Regierungen, die Klimaschutzziele auch wirklich so hoch zu stecken, dass die globale Erwärmung unterhalb der kritischen Zwei-Grad-Marke zu halten ist. Die vorgelegten Maßnahmen der einzelnen Regierungen reichten dazu nicht aus.
Besonders die führenden Industriestaaten wie die USA mauern, aber auch die aufstrebenden BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika sind gefordert, mehr als nur Versprechen abzugeben, ihre Emissionen zu verringern. Sie rechtfertigen den Ausstoß klimaschädlicher Gase unter anderem mit der wirtschaftlichen Entwicklung und Wohlstandsansprüchen im eigenen Land.
Nach Angaben der Umweltorganisation Greenpeace hat China immerhin begonnen, den Kohleverbrauch massiv zu drosseln, was erhebliche Auswirkungen auf den Ausstoß von Treibhausgasen hat. So reduzierte sich der Anteil von Feinstaub in Peking in den ersten drei Monaten 2015 um 13 Prozent, obwohl die Regierung angekündigt hatte, die Emissionen erst 2030 deutlich zu mindern.
Streit gibt es auch unter den Industrie-Nationen über konkrete Ausgleichszahlungen für ärmere Länder, die besonders unter dem Klimawandel leiden. So zum Beispiel Peru: Bei der Welt-Klimakonferenz in Lima konnten die Teilnehmer die schmelzende Gletscher des Landes in Augenschein nehmen. Auch die Inselstaaten im südlichen Pazifik drohen wegen des Anstiegs des Meeresspiegels buchstäblich von der Landkarte zu verschwinden.
Wirtschaft mit ins Boot holen
Bis 2020 sollen die Industriestaaten 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr für Klimaprojekte in Entwicklungsländern bereitstellen. "Die besondere Verantwortung der Industrieländer steht außer Frage. Das ist der Grund, warum wir im Hinblick auf Paris auch über faire Formen der Finanzierung von Klimaschutz und Klimaanpassung reden sollten", so Bundesumweltministerin Hendricks.
Doch wie soll das Ziel erreicht werden, wenn schon auf der internationalen Geberkonferenz im November in Berlin 32 Staaten das Ziel verfehlten, zehn Milliarden US-Dollar für den "Grünen Klimafonds" zuzusagen?
Durch den Fonds sollen die Entwicklungsländer Zuschüsse und Kredite erhalten, um die Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel zu finanzieren. Außerdem sollen Folgen wie Dürren, Überschwemmungen, Landverlust durch den dauerhaften Anstieg des Meeresspiegels und Schäden, die aus der Erderwärmung resultieren, finanziert werden.
Delegierte von Regierungen und Umweltorganisationen werden in Bonn versuchen, einen Konsens zu finden. Dazu zählen auch 25 Unternehmensnetzwerke, die mehr als 6,5 Millionen Firmen aus 130 Ländern vertreten. Sie haben zugesagt, beim Übergang zu einer emissionsarmen, klimaresistenten Wirtschaft beitragen zu wollen.
Christina Figueres, Chefin der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) sagte, sie hoffe auf eine wachsende Dynamik zum Handeln in den nächsten 200 Tagen bis zur UN-Konferenz in Paris. Der Kongress in Bonn soll ein Zeichen setzen für das G7-Treffen der mächtigsten Regierungschefs am 7. und 8. Juni im oberbayerischen Elmau. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte gegenüber dem Südwestrundfunk: "Das G7-Treffen müsse entsprechende klare Signale geben." Die Ministerin gab allerdings auch zu, dass sie vor Paris nicht mehr mit dem großen Wurf beim internationalen Klimaschutz rechne.