Ferdinand Piëch zieht Schlusstrich
3. April 2017Es ist ein großes Bühnenspiel: Es geht um sehr viel Macht, um sehr viel Geld und freilich auch um Intrigen. Die Kulissen bilden Volkswagen, der nach Absatz weltweit größte Autobauer, und Porsche, eine der bekanntesten deutschen Luxus-Automarken. In den Rollen agieren die verschiedenen Mitglieder der großen Autofamilien Porsche und Piëch. Die Hauptrollen haben in jüngster Zeit vor allem der Patriarch Ferdinand Piëch und sein Cousin Wolfgang Porsche besetzt - und für reichlich Turbulenzen gesorgt.
Mit dem Verkauf seines Aktienpakets am VW-Großaktionär Porsche SE scheint Ferdinand Piëch die Bühne endgültig verlassen zu wollen. Wie konnte es dazu kommen, dass dieser machtbewusste, durchsetzungsstarke Mann aus seiner Rolle gedrängt werden konnte? Ein Mann, der autoritär ist, als schwierig gilt, Streit nicht aus dem Weg ging und im Konzern und der Familie gefürchtet war.
Zielstrebig und streitlustig auf dem Weg nach oben
Lange Jahre war er der mächtigste Mann in Deutschlands größtem Autokonzern VW. Unter anderem seit 1993 als Vorstandschef - später als Kopf des Aufsichtsrates. Als der Autobauer in den 1990er Jahren fast Pleite war, gelang Piëch die Wende. Er brachte den Konzern an die Weltspitze. Jahrzehntelang konnte er sich bei Machtkämpfen behaupten - bis zum 25. April 2015. An diesem Tag verlässt er den Aufsichtsrat und legt fast alle Ämter nieder bis auf eines: die Position im Aufsichtsrat der Porsche SE (PSE), dem finanziellen Machtzentrum der Familie.
Nun will sich Piëch ganz verabschieden und verkauft seine Firmenanteile. Sein Aktienpaket im Wert von derzeit über einer Milliarde Euro hatte er schon 2010 in zwei Stiftungen eingebracht, um so sicher zu stellen, dass die Aktien in der Hand der Familie bleiben. Das werden sie auch, denn die Familie hat ein Vorkaufrecht und gedenkt die Summe irgendwie aufzubringen. "Der Rosenkrieg in den Eigentümerfamilien scheint in die Endphase zu gehen", kommentiert Autoexperte Stefan Bratzel.
Wer bestimmt bei VW?
Die obige Grafik zeigt die Verteilung der Aktien von Volkswagen. Die Verteilung der Macht im Volkswagen-Konzern hängt aber davon ab, wer die Stammaktien mit Stimmrechten hält. Laut dem letzten Geschäftsbericht von VW hält die von den Familien Piëch und Porsche kontrollierte PSE als Hauptaktionärin 52,2 Prozent der Stimmrechte. Als zweitgrößter Eigner folgt das Land Niedersachsen mit 20 Prozent. Der dritte Hauptaktionär ist die staatliche Investmentgesellschaft des Emirats Katar, die Qatar Holding (17 Prozent). Die übrigen 10,8 Prozent befinden sich in Streubesitz und entfallen auf sonstige Aktionäre.
Die Porsche SE ist eine reine Beteiligungsgesellschaft. Ihr Anteil am gezeichneten Gesamtkapital von VW beträgt knapp 31 Prozent. Dass sie trotzdem mehr als die Hälfte der Stimmrechte hält und damit die de facto Kontrolle über den Konzern hat, liegt an der Trennung in Stamm- und Vorzugsaktien. Die Stammaktien der Porsche SE selbst werden laut deren Geschäftsbericht mittelbar ausschließlich von Mitgliedern der Familien Porsche und Piëch gehalten.
Im Gegensatz zu den im Dax gehandelten, stimmrechtslosen Vorzugsaktien gibt es bei den Besitzverhältnissen der Stammaktien normalerweise kaum Bewegung. Die Familien Porsche und Piëch übernehmen nun den "wesentlichen Anteil" der Aktien von Ferdinand Piëch.
Eine lange Streitgeschichte
Die Geschichte der Familien beginnt mit dem Großvater von Ferdinand Piëch, Ferdinand Porsche. Er legt die Grundsteine für die Autobauer Porsche und Volkswagen. 1930 gründet er ein Konstruktionsbüro, das später zur Firma Porsche wird. 1938 plant er im Auftrag der Nationalsozialisten das Volkswagen-Werk in Fallersleben (heute Wolfsburg) und entwickelt den legendären VW-Käfer.
Mit seinem Tod 1950 erbt sein Sohn Ferry die eine Hälfte von Porsche, die andere Hälfte geht an die Tochter Louise, die mit Anton Piëch verheiratet war. 1938 erblickt ihr Sohn Ferdinand Piëch das Licht der Welt. Seine erste Rolle in der Autoindustrie spielt er bei Porsche, wo er es zum technischen Geschäftsführer bringt. Er verlässt das Unternehmen, als Porsche Anfang der 1970er-Jahre in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird. Die Familie hatte beschlossen, dass Porsche künftig nur noch von familienfremden Managern geführt werden soll. Der Grund des Beschlusses: Ein Streit innerhalb der Familie.
Ferdinand Piëch geht daraufhin zu Audi (einer VW-Tochter) und arbeitet sich bis 1993 zum Vorstandsvorsitzenden von VW hoch. Zu der Zeit schreibt VW rote Zahlen. Piëch schafft es, den Konzern wieder ganz noch vorne zu bringen. 2002 wechselt er dann als Chef in den Aufsichtsrat von VW. Er gilt weiterhin als einflussreichster Mann bei VW. Dabei hat er Porsche aber nie ganz den Rücken gekehrt. Seit 2008 sitzt er im Aufsichtsrat von Porsche, ihm gehören 14,7 Prozent der stimmberechtigen Anteile.
David gegen Goliath
Als Porsche 2008 unter dem damaligen Vorstand Wendelin Wiedeking versucht, VW zu schlucken, kommt die große Chance von Piëch, der gegen die Übernahme ist. Der Vorstoß von Porsche scheitert an der inzwischen gärenden Weltfinanzkrise. Für die geplante Übernahme hatte Porsche Schulden in Höhe von rund zehn Milliarden Euro machen müssen und brauchte nun frisches Geld. Neue Kredite waren in der Krise jedoch nahezu unmöglich. Das Ende vom Lied: Volkswagen verleibt sich Porsche ein. Goliath schluckt David.
Der Anfang vom Ende für Piech
Der Gegenspieler von Ferdinand Piech ist Wolfgang Porsche, der mit ihm im PSE-Aufsichtsrat sitzt. Der 73-Jährige mit seinem ruhigen, freundlichem Gemüt ist der jüngste Sohn von Ferry Porsche und gilt seit 1981 als Sprecher der Porsche-Familie. "Wenn es um Krieg geht, gibt es immer Gewinner und Verlierer. Und ich habe die Absicht, der Sieger zu sein", soll Piëch einmal gesagt haben. Als er aber 2015 dem damaligen VW-Vorstandsvorsitzenden, seinem Ziehsohn Martin Winterkorn, die Rückendeckung verweigert, ("Ich bin auf Distanz zu Winterkorn") verspekuliert er sich. Im April drängen die anderen Aufsichtsratsmitglieder - vorweg sein Cousin Wolfgang Porsche zusammen mit dem Betriebsrat und dem Land Niedersachsen - den "Alten" aus dem Aufsichtsrat. Piëch und seine Frau Ursula treten zurück.
Eine Niederlage, die Piëch nicht verzeihen konnte. Im Zuge Diesel-Affäre, die ab September 2015 Volkswagen in eine schwere Krise stürzt, kommt seine Chance zur Rache. Ohne Rücksicht auf seine eigene Haut schwärzt Piëch Ende 2016 seinen Cousin Wolfgang Porsche, den Betriebsratschef Bernd Osterloh und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil bei der Staatsanwaltschaft an. Er hätte sie, viel früher als bisher bekannt, über einen Verdacht auf Abgas-Manipulation in den USA informiert. Dass er damit auch sich selbst belastet, nimmt er dabei in Kauf.
Piëch verkauft
Damit war der Rachedurst aber wohl noch nicht gestillt. Der Familienzwist geht weiter. Denn Piëch hatte zwar den Hut als VW-Aufsichtsrat abgegeben, saß aber immer noch im Aufsichtsrat der PSE.
Streit hin oder her. Dort musste auch weiterhin miteinander kommuniziert werden, was sich anscheinend schwierig gestaltete. Nachdem die Arbeitnehmervertreter ihre Mandate in der PSE zurückgegeben hatten, muss in der Hauptversammlung Ende Mai 2017 der Aufsichtsrat komplett neu gewählt werden. Bereits sechs Wochen vorher - also Mitte April, noch vor Ostern - muss dafür der Wahlvorschlag vorliegen. Die Gelegenheit nutzten die restlichen Familienmitglieder, um den 79jährigen Piëch auch hier zu entmachten und ihm sein Aufsichtsratsmandat zu entziehen. 80 Jahre alt wird Piëch am 18. April, das Alter scheint seine Streitlust nicht gemindert zu haben.
Es scheint der Moment des letzten Aktes zu sein: Piëch macht wahr, womit er schon öfter gedroht hat und verkündete im März, den Großteil seiner Anteile am VW-Großaktionär Porsche SE verkaufen zu wollen. Am Montag (03.04.2017) teilte die PSE mit, dass die entsprechenden Verträge unterzeichnet worden seien. Damit haben Piëchs Stiftungen den wesentlichen Teil ihrer Stammaktien an der Holding an andere Mitglieder der Familien Porsche und Piëch verkauft. Eine der Stiftungen bleibe aber weiter geringfügig an der Porsche SE beteiligt, hieß es.
Übrig bleibt das liebe Geld
Ob die Machtkämpfe in der bisherigen Form weitergehen werden, bleibt fraglich. In der vierten Generation der Porsche und Piëch-Familien hat sich bislang keiner als so dominante Führungsperson wie Ferdinand Piëch gezeigt. Das "Freund-Feind-Schema" habe ausgedient, zitiert das Handelsblatt einen Kenner der Familie. Allerdings müssen sich in der vierten Generation rund drei Dutzend Familienmitglieder einigen. Wolfgang Porsche möchte einen Generationswechsel einleiten, dabei das Haus aber geordnet übergeben. Damit bezieht er sich auf die noch nicht ausgestandene Diesel-Krise, die nach Expertenmeinung den Konzern bis zu 30 Milliarden Euro kosten könnte.
Und Piëch? Drei Dinge würden in seinem Leben zählen, hatte der Patriach einmal gesagt: "Volkswagen, Familie, Geld - in dieser Reihenfolge". Zumindest Geld wird er nach Verkauf seiner Anteile im Überfluss haben.