Fernziel große Koalition
4. Oktober 2013Auf dem neutralen Boden der Parlamentarischen Gesellschaft haben die 21 Unterhändler von Union und SPD erstmals ausgelotet, ob sie Koalitionsverhandlungen aufnehmen wollen. Knapp drei Stunden saßen die Delegationen zusammen, in die die Schwesterparteien CDU und CSU jeweils sieben, die Sozialdemokraten ebenfalls sieben ihrer Spitzenpolitiker entsandt hatten. Angeführt wurden die Delegationen von den drei Parteichefs, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) und dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel.
Die Gespräche hätten in einer "aufgeschlossenen Atmosphäre" stattgefunden und würden am 14. Oktober fortgesetzt, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, die als erste vor die Mikrofone trat. Es habe inhaltliche Gemeinsamkeiten mit CDU und CSU, aber auch strittige Punkte gegeben. "Wir haben große Themenblöcke definiert, sind aber nicht in die Details gegangen", so Nahles. "Weitere Gespräche werden notwendig sein." Strittig sind unter anderem die Forderungen der SPD nach einem flächendeckenden Mindestlohn und Steuererhöhungen.
Auch CDU und CSU lobten die Gespräche als ernsthaft und konstruktiv. "Es macht Sinn, weiter zu sondieren", sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. "Die Zahl der potenziellen Koalitionspartner ist nicht kleiner geworden", fasste CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt das Ergebnis zusammen. Das Ziel des zweiten Sondierungsgesprächs werde es sein, über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zu entscheiden.
Vorbehalte gegen die große Koalition
CDU und CSU waren aus der Wahl vom 22. September als klare Sieger hervorgegangen - ihnen fehlen nur fünf Mandate für eine absolute Mehrheit. Da eine Minderheitsregierung als nicht praktikabel gilt und die FDP aus dem Bundestag geflogen ist, braucht Bundeskanzlerin Angela Merkel einen neuen Koalitionspartner. Die SPD ist die erste Wahl, hat sich aber im Vorfeld der Gespräche reserviert gezeigt.
Zwar hatte die Zusammenarbeit in der letzten großen Koalition 2005-2009 leidlich funktioniert, aber in der öffentlichen Wahrnehmung kam die CDU bedeutend besser weg und gewann bei der Wahl im Jahr 2009 hinzu, während die SPD auf ein historisches Tief abstürzte. Das, so fürchten viele Sozialdemokraten, könne sich unter einer so starken Kanzlerin wie Angela Merkel wiederholen. An der Parteibasis gibt es folglich erhebliche Vorbehalte gegen eine Neuauflage der großen Koalition - und die Mitglieder sind es, die am Ende einem Koalitionsvertrag zustimmen müssen.
Zwei Optionen für CDU und CSU
Neben einer schwarz-roten kommt auch eine schwarz-grüne Regierung infrage. Mit den Grünen wollen CDU und CSU am nächsten Donnerstag (10.10.2013) ein erstes Sondierungsgespräch führen. Hatten die Unionsparteien im Wahlkampf noch hart gegen die Grünen geschossen, so schlagen sie inzwischen versöhnlichere Töne an: "Mit einigen Grünen kann man sehr gut reden", erklärte CSU-Chef Horst Seehofer, namentlich mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Kretschmann wird an den Sondierungsgesprächen teilnehmen. Die Grünen haben klargemacht, dass sie zwar ernsthaft mit der CDU reden, aber keine taktischen Manöver hinnehmen werden, in denen sie und die SPD gegeneinander ausgespielt werden.