"Wir müssen uns an Auslandseinsätze gewöhnen"
5. August 2021Deutsche Welle: Müssen die Feuerwehren in Europa angesichts der extremen Waldbrände in Griechenland, Italien und der Türkei stärker zusammenarbeiten?
Karl-Heinz Banse: Wenn sich die Szenarien so weiterentwickeln, dann müssen wir uns daran gewöhnen, dass deutsche Einsatzkräfte öfter im Ausland im Einsatz sind. Zumal Deutschland zusammen mit Österreich und Südtirol zu den europäischen Ländern mit der größten Dichte von Feuerwehrleuten gehört. Die EU hat für solche Einsätze bereits Regelungen aufgestellt, aber diese müssen mit mehr Leben gefüllt werden. Wir brauchen mehr entsprechend ausgebildete Führungskräfte, die nicht nur Englisch lernen, sondern auch informiert sein müssen, wie Feuerwehren in anderen Ländern geführt werden. Diese arbeiten zum Beispiel dort häufig enger mit der Armee zusammen, da ist die Form der Einsatzleitung eine ganz andere.
Sind Feuerwehrleute aus Deutschland zurzeit in der Türkei oder Griechenland im Einsatz?
Nein, im Moment nicht. Das liegt aber auch daran, dass wegen der Unwetter und Überschwemmungen in Deutschland die Feuerwehr hierzulande selbst sehr viele Einsätze macht. In solch einer Situation fordert man keine externe Hilfe an. Ansonsten gilt: Wir würden jedem Land helfen. Das Technische Hilfswerk (THW) beispielsweise ist im Moment in Italien im Einsatz und hilft dort mit Logistik. Ansonsten überwacht das europäische Lagezentrum, wo gerade welche Einsätze stattfinden - und entsprechend wird dann bei Bedarf Hilfe angeboten aus dem Land, wo gerade nicht so viel los ist.
Pandemien, Hitzewellen, Überschwemmungen: Wie verändern solche extremen Ereignisse die Arbeit der Feuerwehren in Deutschland?
Extrem. Insbesondere die Flutkatastrophe hat uns sehr gefordert. Rund 30.000 Feuerwehrleute waren in den betroffenen Regionen im Einsatz. Das ist schon eine Belastung. Auch die Pandemie hat uns sehr beansprucht. Wir haben Impfzentren mit aufgebaut und waren auch beteiligt an der Einrichtung von Testzentren - vor allem die Berufsfeuerwehren waren dort sehr aktiv.
Haben Einsätze, die auf extreme Wetterlagen zurückgehen, in den letzten Jahren zugenommen?
Das kann man schon sagen. Das nimmt kontinuierlich zu. Von einer zusätzlichen Belastung kann man da schon sprechen, aber ich sehe das nicht nur negativ. Die Feuerwehren sind da ein Stück weit drauf vorbereitet. Es ist eine Belastung, der wir uns stellen.
Gibt es bei den Einsätzen einen Unterschied zwischen ehrenamtlichen und beruflichen Feuerwehrleuten?
Kaum. Gerade in Rheinland-Pfalz im Ahrtal gibt es überhaupt keine Berufsfeuerwehr. Da waren alle Feuerwehren - ob Freiwillige oder Werkfeuerwehren - gemeinsam im Einsatz. Im eigentlichen Einsatzgeschehen macht das aber keinen Unterschied: Alle helfen in der Not.
Der Katastrophenschutz ist also eine zusätzliche Beanspruchung der Freiwilligen Kräfte?
Ja, letztendlich für Ruhm und Ehre. Die Freiwilligen bekommen dafür kein Geld.
Gibt es nach solchen Ereignissen mehr Leute, die für die Feuerwehr arbeiten wollen?
Das kann ich noch nicht abschließend sagen, aber insgesamt scheint es, als wollen mehr Menschen für die Allgemeinheit arbeiten. In den Flutgebieten gab es ja auch viele freiwillige Helfer, was erst einmal gut ist. Ich finde es aber besser, wenn diese sich an die Feuerwehren, das THW oder an den Rettungsdienst wenden würden. Dort können sie viel effektiver helfen.
Bis zu welchem Grad kann sich die Feuerwehr auf Katastrophen vorbereiten?
Wir sind nicht auf alles eingestellt. Auf die Corona-Pandemie waren wir zum Beispiel nicht eingestellt - die ganze Bundesrepublik war darauf nicht eingestellt, niemand hatte das auf dem Schirm. Auf ein Hochwasser oder ein Sturmereignis sind wir natürlich besser vorbereitet, weil wir so etwas schon einmal erlebt haben, aber nicht mit so einer dramatischen Wirkung wie in Erftstadt oder im Ahrtal. Aber wir wissen, was unsere Leute können, und darauf können wir uns verlassen.
Welche Lehren zieht der Deutsche Feuerwehrverband aus der Flutkatastrophen und den Waldbränden?
Die Einsätze werden noch evaluiert. Wir müssen vielleicht unsere Technik anpassen. Das haben wir schon bei den Waldbränden in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern in den letzten Jahren gesehen. Unsere schweren Fahrzeuge, die bis zu 18 Tonnen wiegen, können zwar sehr viel, fahren sich aber auf dem sandigen Boden schnell fest. Wir brauchen leichtere, geländegängigere Fahrzeuge.
Karl-Heinz Banse ist seit Februar 2021 Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, der für 1,3 Millionen Feuerwehrleute in Deutschland zuständig ist.
Das Gespräch führte Jennifer Wagner.