Fusion in schwierigem Umfeld
2. Januar 2014Der Jubel des Fiat-Chefs kannte keine Grenzen. Nun sei es möglich, die eigene Version eines globalen Autobauers umzusetzen, schwärmte Sergio Marchionne nach Bekanntgabe der vollständigen Übernahme der US-Tochter Chrysler. Der Deal werde "in die Geschichtsbücher eingehen".
"Mit solchen Einschätzungen sollte man vorsichtig sein", meint dagegen der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen im Gespräch mit der DW. "Wir erinnern uns alle noch an das Zusammengehen von Daimler und Chrysler, das war die sogenannte 'Hochzeit im Himmel', die dann jämmerlich zu Grunde gegangen ist."
Daimler gescheitert
Bereits im Jahr 1998 hatte der deutsche Daimler-Konzern versucht, mit der Übernahme des drittgrößten US-Autobauers entscheidende Vorteile im internationalen Konkurrenzkampf zu erreichen. Doch die Fusion scheiterte kläglich und wurde für Daimler zum Milliardengrab. 2007 verkauften die Schwaben Chrysler schließlich wieder - mit großen Verlusten.
Käufer war der internationale Finanzinvestor Cerberus, der Chrysler 2009 während der Wirtschaftskrise in die Insolvenz führte. Wie der US-Marktführer General Motors wurde Chrysler damals vom amerikanischen Steuerzahler gerettet.
Wette mit hohem Risiko
2009 stiegen schließlich die Italiener ein. Allen Unkenrufen zum Trotz machten sie mit ihrem technischen Know-How die neugewonnene US-Tochter wieder flott, bis sie schließlich mit einem Anteil von 58,5 Prozent zum Mehrheitsaktionär aufstiegen. Die amerikanische Autogewerkschaft UAW hielt die restlichen Anteile an Chrysler - gewissermaßen ein staatliches Dankesgeschenk für das Entgegenkommen während der Insolvenz.
Nun erwirbt Fiat für mehr als drei Milliarden Euro diese Anteile, die Transaktion soll bis zum 20. Januar abgeschlossen sein. Konzernlenker Marchionne hatte bereits seit Jahren auf die vollständige Übernahme hingearbeitet. "Es ist eher eine Wette, die er abgeschlossen hat", kommentiert Dudenhöffer. Bisher habe der Fiat-Chef mit seinen "hoch risikoreichen Wetten" gewonnen, ergänzt der Autoexperte. Aber dieses Mal werde sicherlich nur sehr schwer zu gewinnen sein: "Im Umfeld mit den anderen Autobauern steht Fiat heute verdammt schlecht da."
Chinesischer Markt entscheidend
Fiat verkauft seine Autos vor allem in Europa und Lateinamerika. Alleine der brasilianische Markt ist für die Italiener genauso wichtig wie der europäische - in beiden Regionen gehen die Geschäfte aufgrund zahlreicher Krisen eher schlecht. Chrysler ist dagegen in Nordamerika stark und konnte seine Gewinne dort alleine im dritten Quartal 2013 um mehr als 20 Prozent steigern, denn in den USA boomt der Automarkt seit einiger Zeit wieder. Vor allem die großen Pickup-Trucks erzielen hervorragende Umsätze.
Aber gerade diese rustikalen Monsterschlitten sind im Rest der Welt weniger gefragt. "Sowohl Chrysler und erst Recht Fiat haben völlig überholte Produkte", bringt Dudenhöffer eines der Hauptprobleme des italienisch-amerikanischen Konzerns auf den Punkt. Hinzu kommt: Auf dem wichtigen chinesischen Markt spielen bislang weder Fiat noch Chrysler überhaupt eine Rolle. Aber genau dort - da sind sich alle Experten einig - spielt die Musik im internationalen Autogeschäft.
Toyota bleibt vorne
Für 2014 erwarte die Branche einen Weltmarkt, der auf insgesamt fast 75 Millionen PKW und damit um drei Prozent steigen werde, sagte der Präsident des deutschen Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, kürzlich in seinem Jahresausblick. "Wir sind bei unseren Prognosen immer etwas vorsichtig und sagen für China ein Wachstum von sieben Prozent voraus. Damit dürfte China die 17-Millionen-Marke knacken."
Und auch das große Rennen um die Frage nach dem weltweit größten Autobauer des Jahres 2014 werde sicherlich in China entschieden, meint Ferdinand Dudenhöffer. Er sieht den aktuellen Weltmarktführer Toyota und den zweitplatzierten US-Konzern General Motors auch 2014 wieder ganz vorne. Für Volkswagen, Deutschlands Nummer eins und Marktführer in Europa, dürfte es im Kampf um die Weltspitze eher schwieriger werden.
Einen weiteren Aufwärtstrend prophezeit der Experte deutschen Nobelmarken: "Es sieht so aus, als würden Premiumhersteller wie Mercedes und BMW im Jahr 2014 gut punkten und weitere Rekorde einfahren."