FIFA-Chef Blatter gibt sich gelassen
27. Mai 2015Der Zeitpunkt hätte nicht passender sein können. Einen Tag vor dem FIFA-Kongress in Zürich, bei dem auch die Wiederwahl des Präsidenten Chef Blatter auf der Tagesordnung steht, verhaften Ermittler der Kantonspolizei in einem Hotel sieben Funktionäre. Wenig später werden in der FIFA-Zentrale WM-Dokumente beschlagnahmt. Doch Blatter selbst gibt sich gelassen - schließlich wird nicht gegen ihn selbst ermittelt.
In einer ersten Stellungnahme erklärte der 79-Jährige, dass er die Ermittlungen der US-amerikanischen und schweizerischen Behörden begrüße. Er kündigte gleichzeitig an, dass alle Personen, die gegen den eigenen Ethikkodex verstoßen hätten, "aus dem Fußball entfernt werden". Geht es nach ihm, soll der 65. FIFA-Kongress wie geplant im Züricher Hallenstadion beginnen.
UEFA will Kongress verschieben
Dagegen sträubt sich allerdings der europäische Fußballverband UEFA, der die Wiederwahl Blatters ohnehin mit aller Macht verhindern will. In der Zentrale im schweizerischen Nyon nutzt die Exekutive die unverhoffte Gunst der Stunde und probt nun den Aufstand. In einem Statement unter der Überschrift "UEFA zeigt dieser FIFA die Rote Karte" wollen die europäischen Fußballverbände den Kongress und die Wahl um sechs Monate verschieben. Weil das "System FIFA" den Fußball, wenn es nicht gestoppt wird, irgendwann "töten würde". Solch scharfe Töne sind einmalig in der einst auf Harmonie gebauten Welt der Fußball-Funktionäre.
Die Beamten, die im noblen Fünf-Sterne-Hotel "Baur au Lac" eingesetzt wurden, handelten anhand eines Amtshilfegesuchs aus den USA. Alle Festgenommenen sind hochrangige Funktionäre des Fußball-Weltverbands, darunter auch die beiden FIFA-Vizepräsidenten Jeffrey Webb von den Kaymaninseln und Eugenio Figueredo aus Uruguay. Die USA werfen ihnen vor, in den vergangenen 20 Jahren mehr als 100 Millionen Dollar an Schmiergeldern angenommen zu haben - offenbar im Zusammenhang mit der Vergabe von WM-Turnieren und wichtigen TV-Rechten.
Hohe Haftstrafen drohen
Im zweiten Verfahren, das von der Schweizer Bundesanwaltschaft angestrengt wird, ließen sich die Ermittler Dokumente zur Vergabe der Weltmeisterschaften in Russland (2018) und Katar (2022) aushändigen. Hier steht der Verdacht der Geldwäscherei und Schmiergeldzahlungen im Raum.
Auf Eduardo Li aus Costa Rica, der ebenfalls zu den verhafteten Funktionären gehört, warten nun auch in seinem Heimatland Ermittlungen. Dabei soll geklärt werden, ob möglicherweise geflossene Schmiergelder nach Costa Rica gelangt seien. Ihm droht allerdings, wie den anderen Verdächtigen auch, die Abschiebung in die USA. Als Höchststrafe drohen ihnen dort 20 Jahre Haft.
Hektische Reaktionen
Der frühere FIFA-Vizepräsident Jack Warner aus Trinidad, gegen den ebenfalls in den USA ermittelt wird, hat sich bereits den lokalen Behörden gestellt. Wie die Zeitung "Trinidad Express" berichtet, soll Warner am Mittwochvormittag in Begleitung eines Anwalts die Polizeistation in der Hauptstadt Port of Spain aufgesucht haben. Er soll aber gegen die Zahlung einer Kaution in Höhe von 2,5 Millionen Dollar auf freien Fuß gesetzt werden, heißt es in dem Bericht.
Auch in Paraguay sorgten die Ermittlungen der USA für hektische Reaktionen: Nicolás Leoz, der frühere Chef des südamerikanischen Fußballverbandes CONMEBOL ließ sich in eine ihm selbst gehörende Klinik in der Hauptstadt Asunción bringen. Das berichtet ein örtlicher Radiosender. Leoz war von 1986 bis 2013 Chef des CONMEBOL, der sich in den stets als treuer Unterstützer von FIFA-Chef Sepp Blatter hervorgetan hatte.
Wiederwahl Blatters fraglich
Die Ermittlungen wegen der WM-Vergabe an Russland und Katar gehen auf eine Strafanzeige der FIFA vom vergangenen November zurück. Warum die Ermittler erst jetzt die Herausgabe von Akten einforderten, bleibt offen. "Das Timing ist nicht das beste", räumte FIFA-Kommunikationschef Walter de Gregorio ein. Schließlich sollte FIFA-Chef Sepp Blatter am Freitag zum mittlerweile fünften Mal im Amt bestätigt werden. Die Wiederwahl eines Präsidenten, aus dessen Führungsriege Personen verhaftet wurden und an die USA ausgeliefert werden sollen, ist schwer vorstellbar.
djo/sti (dpa, sid)