FIFA vor fragwürdigen Entscheidungen
9. Mai 2017Mehr Transparenz, hartes Vorgehen gegen Korruption und Vetternwirtschaft, ein Wandel nach den Jahren unter Joseph Blatter - das alles hatte sich FIFA-Präsident Gianni Infantino zu Beginn seiner Amtszeit im Februar 2016 auf die Fahne geschrieben. Nun, knapp anderthalb Jahre später, stellt sich die Frage, ob der Fußballweltverband tatsächlich so reformwillig ist, wie behauptet. Beim FIFA-Kongress in Bahrain stehen fragwürdige Entscheidungen auf der Agenda. Darunter die mögliche Absetzung der Vorsitzenden der Ethikkommission, die einigen im erneut erschütterten Fußball-Weltverband zu unbequem sind - und die Eil-Vergabe der Mega-WM 2026.
Ein entsprechender Antrag der gemeinsamen Bewerber USA, Kanada und Mexiko lag am Dienstag beim Treffen des FIFA-Council auf dem Tisch. Sollte das Council den Daumen heben, könnte der Kongress das Mammut-Turnier, das erstmals mit 48 (statt 32) Mannschaften ausgetragen werden wird, am Donnerstag faktisch vergeben. Und das, obwohl dieser Schritt eigentlich erst 2020 stattfindet sollte und die Bewerbungsfrist, für die es kein von der FIFA offiziell gemachtes Ende gibt, im Grunde noch läuft. Zwar würde in Bahrain nur über eine Vorvergabe abgestimmt, unter der Bedingung, dass im Nachhinein die technischen Bewerbungsvoraussetzungen erfüllt werden. Doch daran besteht kein Zweifel. In den USA könnte die WM angesichts der Infrastruktur und Stadien schon morgen stattfinden. Die FIFA würde damit wieder einmal ihre eigenen Statuten umgehen.
Grindel: "Ist Vorfestlegung wirklich klug?"
Als neues Council-Mitglied darf auch DFB-Präsident Reinhard Grindel über den Antrag abstimmen. "Ich habe durchaus Sympathie für die Bewerbung der drei Verbände und denke auch, dass sie am Ende sehr gute Chancen haben wird", sagte Grindel im Vorfeld des Treffens. "Aber im Interesse von Good Governance sollte überlegt werden, ob eine Vorfestlegung wirklich klug ist, oder an einem geregelten Bewerbungsverfahren festgehalten werden sollte." Konkurrenten muss der einflussreiche und politisch brisante Verbund aus Nord- und Mittelamerika aber nicht befürchten. Wegen der noch gültigen FIFA-Vorschriften darf das Turnier nicht in die Kontinentalverbände der beiden vorausgehenden Weltmeisterschaften (2018 in Russland und 2022 in Katar) vergeben werden. Mögliche starke Bewerbungen aus Europa und Asien werden deshalb nicht zugelassen.
Keine Lobby für Chef-Ethiker
Auch bei der Zukunft der FIFA-Ethikkommission droht in Bahrain Ärger: Noch ist offen, ob beim Kongress die Wiederwahl der Vorsitzenden der beiden Kammern der Ethikkommission zugelassen wird. Der Schweizer Chefermittler Cornel Borbely und der deutsche Richter Hans-Joachim Eckert sind zwar offiziell eingeladen, allerdings haben sich die beiden mit den Suspendierungen zahlreicher, teils hochrangiger FIFA-Mächtigen innerhalb des Weltverbands viele Feinde gemacht.
"Ich bin dafür, dass Eckert und Borbely ihre Arbeit fortsetzen, weil sie zur Wiederherstellung der Integrität der FIFA einen entscheidenden Beitrag geleistet haben", sagte Grindel, der nach den eher zurückhaltenden Aussagen von FIFA-Generalsekretärin Fatma Samoura aber davon ausgehe, dass beide zur Wiederwahl vorgeschlagen werden.
Mehr Macht für Infantino?
Eine weitere Entscheidung sorgt für hochgezogene Augenbrauen bei den FIFA-Kritikern. Eigentlich waren die Machtbefügnisse des FIFA-Präsident nach dem Rücktritt von Sepp Blatter beschnitten worden. Während Infantino die Rolle des Aufsichtsratsvorsitzenden zukam, sollte das operative Geschäft maßgeblich durch Generalsekretärin Samoura bestimmt und die Entscheidungen im 37-köpfigen Council getroffen werden. Das möchte Infantino nun ändern: Der Schweizer will den sogenannten Council-Ausschuss deutlich stärken. In diesem sitzen er selbst und die sechs Präsidenten der Kontinentalverbände - darunter die als Infantino-nah geltenden Aleksander Ceferin für Europa und der afrikanische Verbandschef Ahmad Ahmad. Das kleine Gremium soll mehr Entscheidungen in Eigenregie treffen, das Council wäre dann nur noch dazu da, im Ausschuss getroffene Beschlüsse abzunicken. Faktisch bedeutete das eine Machtausweitung für Infantino.
Immer noch Krise
Dass die FIFA-Krise - anders als von Präsident Gianni Infantino vor einem Jahr verkündet - noch nicht vorbei ist, hatten die vergangenen Tage gezeigt. Die US-Ermittlungen hatten wieder einmal ein Korruptionsnetzwerk aufgedeckt. Der einflussreiche und vermeintlich darin verwickelte Strippenzieher Ahmad Al Fahad Al Sabah aus Kuwait trat vorsorglich von allen seinen Fußball-Ämtern, also auch aus dem Council, zurück. Außerdem gestand Guams Verbandschef Richard Lai vor einem New Yorker Gericht, Schmiergelder angenommen zu haben.
"Die Lage entspricht im Grundsatz unserer Problematik im Deutschen Fußball-Bund", sagte Grindel: "Es handelt sich oftmals um Sachverhalte aus der Vergangenheit, die jetzt in der Phase des Neuanfangs der FIFA ans Licht kommen und den Eindruck erwecken, als hätte sich substanziell nichts geändert. Das wäre ungerecht, viele Sachverhalte liegen ja offenbar Jahre zurück."
Einreiseverbot für ARD-Journalisten
Nicht beim FIFA-Kongress dabei sein wird der sportpolitische ARD-Journalist Robert Kempe. Das bahrainische Ministerium für Information verweigerte dem Reporter die Einreise. Die FIFA wurde sowohl aus Bahrain als auch in einem Protestschreiben der ARD über das Einreiseverbot informiert, sieht sich aber offenbar machtlos: "Wir bedauern, dass unsere Versuche erfolglos geblieben sind“, teilte die FIFA auf ARD-Anfrage mit. Kempe hatte sich in der Vergangenheit kritisch mit Mitgliedern der Königsfamilie des Golfstaats auseinandergesetzt, die in führenden sportpolitischen Funktionen tätig sind. Anlässlich der FIFA-Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2016 berichtete er als Teil eines Autorenteams der WDR-Sendung "Sport inside" über massive Vorwürfe der Menschenrechtsverletzung gegen den bahrainischen Scheich Salman bei der Niederschlagung des Arabischen Frühlings 2011 in seinem Land.
asz/ck (sid, dpa, sportschau.de, WDR)