Fillon, der Teflonkandidat
26. März 2017Der Hof von Michel Dauton liegt gleich vor den Toren von Sablé-sur-Sarthe, dem Heimatort von François Fillon. Hier war er Bürgermeister von 1983 bis 2001 und organisierte seinen steilen politischen Aufstieg. Am Rande der Kleinstadt gibt es ein paar größere Betriebe, die überwiegend Lebensmittel verarbeiten. Dahinter liegt die Weite des flachen Landes oberhalb der Loire.
Dauton produziert Äpfel für die Cidre-Herstellung und hält auf seinen Wiesen Limousin-Rinder. "Die Landwirtschaft hier ist vielfältig", sagt der Bauer, der auch schon Sprecher des örtlichen Verbandes war. Und sie ist kleinteilig, keine industrielle Produktion. Alte Dörfer säumen die Straßen, hier ist das "tiefe Land", das seit jeher so viel Gewicht hat in der französischen Politik.
Fillon ist "einer von uns"
"François Fillon hat hier immer alle gegrüßt und sich für deine Probleme interessiert", erzählt Michel Dauton. Das sei wichtig für die Bauern, die unter immer stärkerem Preisdruck durch die Abnehmer stehen. "Wir brauchen ein Europa, das uns besser schützt", fordert der Landwirt. Und da sei Fillon der Kandidat mit dem stärksten ländlichen Bezug. "Was wir brauchen, ist ein Mann mit Statur, der die richtigen Reformen durchsetzen kann." Und er habe lange Erfahrung in der Politik, dies sei keine Zeit für Neulinge.
Und die Skandale? "Wir stehen einen Monat vor einer entscheidenden Präsidentschaftswahl, in einer gefährlichen Welt", sagt der Landwirt. Das sei doch wohl wichtiger als der Preis seiner Anzüge oder die Farbe seiner Krawatten. Dass die Justiz inzwischen die Familie Fillon verfolgt, bedauert Dauton: "Es tut mir leid für sie beide, besonders für seine Frau." Vielleicht brauche das politische Leben in Frankreich ja mehr Moral, aber dann müsse man eben die Regeln ändern.
Hilfe vom politischen Katholizismus
In Sablé-sur-Sarthe geht man am Sonntag zur Messe. Pater Bruno Mézière predigt vor einem vollen Gotteshaus, auf den Bänken auch junge Familien, viele Kinder und als Migranten erkennbare Gläubige. "Unsere Gemeinde ist mit Aleppo assoziiert", erzählt der Pater, man sammelt Spenden für die zerstörte Stadt. Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und anderen Ländern seien hier gut integriert, Notre-Dame-de-Sablé eine weltoffene Gemeinde.
Auch François Fillon ist früher als Bürgermeister hier öfter in den Gottesdienst gekommen. Aber die politische Unterstützung von der neukatholischen Bewegung in Frankreich, die komme eher nicht aus der Gemeinde, sondern aus Paris: "Es gibt Christen in Frankreich, die ihren Glauben ziemlich offensiv vertreten. Das hat sich aus den Demonstrationen gegen die Schwulenehe entwickelt. Das ist eine Gruppe von Katholiken, die glaubten, sie würden in Frankreich politisch an den Rand gedrängt", erklärt Pater Bruno. Die Gruppe nennt sich "Sens commun" (etwa: gesunder Menschenverstand) und hat bei den Vorwahlen François Fillon mit zum Sieg verholfen.
Ein Bürgermeister wie ein Feudalherr
"Als François Fillon hier Bürgermeister war, hat er geherrscht wie ein Feudalherr", erzählt Gerard Frétellière, langjähriges Mitglied des Gemeinderats und der linken Opposition im Ort. Als Lokalpolitiker sei Fillon eher Mann der Mitte gewesen, später als Minister aber hart rechts. "Es gab immer zwei Gesichter bei ihm", sagt sein alter Gegner aus Sablé. "Als er dann Kandidat wurde, haben viele sich gefreut und meinten, jetzt bekämen wir einen Präsidenten von hier. Aber das ist nicht so rosarot, er würde gar nicht so viel für die Region tun können". Und sein Programm, sagt Frétellière, sei "für die Reichen".
Von den Skandalen aber seien viele im Ort ziemlich überrascht gewesen. Vor allem, weil Fillon als der große Saubermann angetreten sei: "Und dann gräbt und gräbt man, und es kommen solche Sachen raus." Auch der Gemeinderat hat nichts Schlechtes über Penelope Fillon zu sagen, sie habe sehr zurückgezogen gelebt. Bloß: "Niemand im Ort hat je gedacht, dass sie für ihren Mann arbeiten würde."
"Sie sind alle gleich"
Ein paar Kilometer außerhalb liegt malerisch am Ufer der Sarthe das Schloss Beaucé, das Fillon Anfang der neunziger Jahre gekauft hatte. Die noblen Gemäuer reichen bis ins 15. Jahrhundert zurück - so viele Dächer und Fenster instand zu halten, das geht ins Geld, grinst Bauer Hubert Olive. Er steht mit seiner Frau an diesem Sonntagnachmittag vor dem Tor und schaut durch die Büsche auf das Anwesen: "Wir wollten nur mal sehen, wie er so wohnt."
Er selbst hat einen Hof mit Rinderzucht, und die Probleme der kleinen Landwirte sprudeln aus ihm heraus: "Wenn ich mein Fleisch für 3,50 pro Kilo verkaufen muss, dann liegt es für 35 Euro im Laden. Die Abnehmer drücken uns unter den Einstandspreis." Auch er setzt seine Hoffnung auf Fillon, der habe als einziger die nötige Regierungserfahrung und einen Bezug zum Land. Aber macht ihn die mutmaßliche Abzockerei durch den Kandidaten nicht wütend? "Ach was, man kann die ganze Bande doch zusammen in einen Sack stecken, und... ", lacht Hubert Olive, zeigt auf den Fluss. Will sagen: Es war noch nie anders und wird wohl nie anders werden.