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Filmstadt Babelsberg

1. August 2011

Fünf politische Systeme hat die Filmstadt Babelsberg erlebt, Leinwandlegenden, internationale Produktionen und populäres Kino. Sie spiegelt die Geschichte des 20. Jahrhunderts und hat sich immer wieder neu erfunden.

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Hallen der Babelsberger Studios (Foto: Studio Babelsberg)
Bild: Studio Babelsberg

Am Ufer des Griebnitzsees, im Potsdamer Stadtteil Neubabelsberg, stehen eine Reihe wunderschöner alter Villen. Einst hatten sie illustre Eigentümer - Lilian Harvey wohnte hier, der Operettentenor Richard Tauber, Brigitte Horney, Marika Rökk oder Romy Schneiders Mutter Magda. Die Residenzen der Leinwandlegenden zeichnen sich nicht nur durch ihre idyllische Lage aus, sondern auch durch die Nähe zu den Babelsberger Filmstudios, in denen seit ihrer Gründung im Jahre 1912 wirkungsvolle Unterhaltung, Kunst und Geschäfte gemacht werden.

Explosive Anfänge

Die Amerikaner hatten die Nase vorn, sie zogen bereits 1911 vor die Tore der Großstadt und legten mit dem Bau erster Studios den Grundstein für die spätere Traumfabrik in Hollywood. In Deutschland experimentierten die Filmleute derweil noch in kleinen Ateliers im Berliner Stadtzentrum und lösten dabei regelmäßig Feueralarm aus. Denn unter den heißen Scheinwerfern ging leicht brennbares Zelluloid ebenso schnell in Flammen auf wie all die Dekorationen aus Pappmaché. Das war gefährlich und konnte teuer werden. Weshalb die Feuerpolizei den Filmleuten nahelegte, die Innenstadt zu verlassen. Im Süden der Hauptstadt, im Potsdamer Stadtteil Babelsberg, fand der Filmpionier Guido Seeber schließlich ein geeignetes Gelände.

In nur drei Monaten entstand dort im Winter 1911/12 im Auftrag der Firma Bioscop ein Filmatelier mit 300 Quadratmetern Grundfläche, das sogenannte "Kleine Glashaus". Und kaum, dass es fertig gestellt war, ging es auch schon los mit der Arbeit an der ersten Produktion – "Totentanz", ein Stummfilm mit dem dänischen Star Asta Nielsen. Ein Jahr später wurden auf dem Gelände ein zweites Filmatelier und ein Kopierwerk gebaut. Dessen Fassade war ein Mix aus verschiedenen Baustilen und somit für unterschiedlichste Filme als Hintergrund geeignet.

Undatierte Aufnahme der Schauspielerin Asta Nielsen (Foto: dpa)
Asta NielsenBild: dpa

Auf dem Wege zur Weltgeltung

Während des Ersten Weltkriegs kam die Babelsberger Filmproduktion fast zum Erliegen, aber sie profitierte paradoxerweise von der nachfolgenden Inflation und Massenarbeitslosigkeit. 1922 stieg die UFA (ehemals: Universum Film AG) in Babelsberg ein und produzierte mit preiswerten Statisten und Hilfskräften aufwändige Filme, die das Ausland günstig einkaufen konnte. Aber auch technische und künstlerische Entwicklungen wurden vorangetrieben: Bei den Dreharbeiten zu Friedrich Wilhelm Murnaus Film "Der letzte Mann" (1924) wurde erstmals mit einer beweglichen Kamera gearbeitet. Kameramann Karl Freund hatte sie einfach vom Stativ getrennt und in Bewegung gebracht – unter anderem dadurch, dass er sie sich vor die Brust schnallte. In Hollywood war man beeindruckt und schickte umgehend die besten Leute zur Weiterbildung nach Babelsberg. Wer von ihnen lange genug blieb, konnte miterleben, wie Fritz Lang in einem eigens gebauten Großatelier zwei Jahre lang an seinem Science-Fiction-Film "Metropolis" (1927) arbeitete, einem Meisterstück des Stummfilms.

Erste Töne und schwere Krisen

"Ich spare nämlich auf ein Pferd!" - Das war der erste Satz, den der junge Willy Fritsch vor einer Tonfilmkamera zu sagen hatte, in dem Film "Melodie des Herzens" (1929). In kürzester Zeit hatte man für diese Produktion das sogenannte "Tonkreuz" mit vier schalldichten Ateliers gebaut. Hollywood hatte die Babelsberger unter Zugzwang gesetzt, die ersten Tonfilme aus Amerika gefielen auch dem deutschen Publikum. Das hatte dann bald darauf allen Grund, eine eigene Produktion zu feiern. Denn 1930 drehte Josef von Sternberg in Babelsberg "Der blaue Engel" mit der jungen Marlene Dietrich in der Hauptrolle. Es sollte der Beginn ihrer Weltkarriere werden.

Szenenfoto des Films von Josef von Sternberg "Der Blaue Engel" 1930 (Foto: dpa)
Marlene Dietrich als Kabarett-Sängerin LolaBild: picture alliance / dpa

Deutschland aber rutschte immer tiefer in die Krise. Die Zahl der Arbeitslosen stieg unaufhörlich, das Kino reagierte mit tröstender Unterhaltung und harmloser Ablenkung. 1933 übernahmen die Nationalsozialisten die Macht.

Propaganda und Agitation

Hitlers Propaganda-Minister Joseph Goebbels wusste das Massenmedium Film von Beginn an wirksam zu nutzen – mit Regisseuren und Schauspielern, die Hitlers Rassenwahn nicht zum Opfer gefallen waren. Und die in Deutschland geblieben waren. Unter Goebbels Regie produzierte Babelsberg Gute-Laune-Filme und gezielt den einen oder anderen Propaganda-Streifen. Bekannt bis heute ist Veit Harlans antisemitischer Hetzfilm "Jud Süß" (1940) mit Ferdinand Marian in der Titelrolle.

Mitten im Zweiten Weltkrieg feierte die UFA ihr 25-jähriges Firmen-Jubiläum dann mit einem prächtig ausgestatteten Lügenmärchen: "Münchhausen". Das Drehbuch hatte der verfemte Autor Erich Kästner unter Pseudonym geschrieben, in der Hauptrolle brillierte der legendäre Hans Albers. Die unabkömmliche Arbeit beim Film hat den Fronteinsatz von manchem Künstler und Handwerker verhindert. Und in den unzerstörten Studios in Babelsberg konnte man zumindest so tun, als ob man gerade produzierte. Auch wenn das Filmmaterial gerade mal wieder ausgegangen war. Tatsächlich gedreht aber wurde Veit Harlans Durchhalte-Epos "Kolberg". Dieser größte und teuerste Film des Dritten Reichs rief pathetisch zum Kämpfen und Sterben auf. Premiere hatte er im Januar 1945. Da waren die meisten Kinos in Deutschland längst zerstört.

Hans Albers als Lügenbaron "Münchhausen"Aufnahme von 1943 (Foto: dpa)
Hans Albers als Lügenbaron "Münchhausen"Bild: dpa

Aufbruch - Umbruch

Die Dreharbeiten zum ersten deutschen Nachkriegsfilm begannen bereits 1946 mit Wolfgang Staudtes "Die Mörder sind unter uns". Der Film, mit dem Hildegard Knefs große Karriere begann, fragt nach individueller Schuld und Verantwortung während der nationalsozialistischen Herrschaft. Gedreht wurde mitten im zerstörten Berlin. Im Ausland hielt man die Trümmerlandschaft später für eine besonders gut gebaute Kulisse. Der Betrieb in den Babelsberger Studios ruhte währenddessen noch. Erst Ende 1947 gab die sowjetische Besatzungsmacht das Gelände wieder zur Filmproduktion frei. Ein Jahr zuvor war dort die Deutsche Film-AG, kurz DEFA, ins Leben gerufen worden. Sie ging nach Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) am 7. Oktober 1949 nach und nach in deutsche Hände über. Im Juli 1950 übereignete die sowjetische Regierung schließlich alle Filmateliers, Werkstätten und Tonstudios an die Regierung der DDR.

Jakob der Lügner, Szene mit Erwin Geschonnek (Foto: ullstein bild/ KPA)
Jakob der Lügner, Szene mit Erwin GeschonnekBild: ullstein bild - KPA

Bis 1990 entstanden in Babelsberg über 700 Spielfilme, mehr als 150 Kinderfilme und ab 1959 außerdem über 600 Filme für das Fernsehen der DDR.

Spiegel der Zeitgeschichte

Über 40 Jahre wurden in Babelsberg unter sozialistischen Vorzeichen Filme produziert. Dabei waren die Protagonisten zunächst unumgänglich positive Helden. Sie mimten linientreue Genossen, die das Konzentrationslager überlebt hatten und klare Botschaften vermittelten: Schuld am Aufstieg des Nationalsozialismus waren Sozialdemokratie und Kapitalismus, während die Befreier aus der Sowjetunion kamen und im Osten Deutschlands die richtigen Lehren aus der Geschichte gezogen wurden. Herausragende Produktionen wie Frank Beyers "Nackt unter Wölfen" (1963), Konrad Wolfs "Ich war neunzehn" (1968) oder Beyers "Jakob der Lügner" (1975) überzeugten indes auch international und zogen die Zuschauer an. Erfolge jenseits der Grenzen, die ab 1963 zu einem Eisernen Vorhang geworden waren, feierten auch die Märchenfilme der DEFA, Indianerfilme sowie berührendes Gegenwartskino. Heiner Carows "Die Legende von Paul und Paula", nach einer Erzählung von Ulrich Plenzdorf, hatte allein im Premierenjahr 1,8 Millionen Zuschauer.

Marktwirtschaft – Weltwirtschaft

1990, nach mehr als einem halben Jahrhundert, endete die Ära der staatlichen Lenkung und Finanzierung jäh. Ab sofort musste sich das traditionsreiche Filmstudio Babelsberg in der Marktwirtschaft behaupten. Das Gelände wurde der Treuhand übertragen, die verkaufte es 1992 an den französischen Konzern Compagnie Générale des Eaux (heute: Vivendi Universal). In den Ausbau der Studios wurden Millionen investiert, aber der unternehmerische Erfolg blieb aus. Neue Besitzer wurden dann 2004 die Filmproduzenten Carl Woebcken und Christoph Fisser. Sie brachten das Unternehmen als Studio Babelsberg AG 2005 an die Börse und bauten es kontinuierlich auf und aus.

Attrappen historischer Häuser-Fassaden, in denen auch die Filme "Sonnenallee" und "Der Pianist" entstanden sind (Foto: Nestor Bachmann/ dpa)
Attrappen historischer Häuser-FassadenBild: picture-alliance/ ZB

Mit 25.000 Quadratmeter Fläche und 16 Studios ist das Studio Babelsberg heute einer der größten zusammenhängenden europäischen Filmstudiokomplexe und hat in den letzten Jahren auch zahlreiche Großproduktionen realisiert: Von Leander Haussmanns Tragikomödie "Sonnenallee" (1999) über Jean-Jacques Annauds "Enemy at the gates" (2001) und "Der Pianist" (2202) von Roman Polanski bis hin zu Tom Tykwers "The International" (2008). Im Februar 2012 feiert das Studio den 100. Jahrestag seiner Gründung.

Autorin: Silke Bartlick
Redaktion: Conny Paul