Neue Gefahrenzone
21. September 2011Auch im fünften Jahr nach Beginn der globalen Finanzkrise ist das Weltfinanzsystem aus Sicht des Internationalen Währungsfonds noch lange nicht über den Berg - im Gegenteil: "Seit unserem letzten Report haben sich die Risiken für die Finanzmarktstabilität spürbar erhöht und einen Teil der Fortschritte zunichte gemacht, die in den vergangenen drei Jahren erzielt worden sind. Wir sind zurück in der Gefahrenzone", sagte der Leiter der IWF-Kapitalmarktabteilung, José Viñals, am Mittwoch (21.09.2011) in Washington bei der Vorstellung des jüngsten Berichts zur globalen Finanzmarktstabilität.
Aus Sicht des Währungsfonds befindet sich das Weltfinanzsystem in Phase Vier der Krise. Nach der Hypothekenkrise in den USA kam die Bankenkrise, die von den USA nach Europa schwappte, anschließend bekamen viele Staaten ihren Haushalt nicht mehr in den Griff, und nun, in der Phase vier, sei aus der Finanzkrise eine politische Krise geworden, sagte Viñals. "Politikern diesseits und jenseits des Atlantiks ist es bis heute nicht gelungen, eine breite Unterstützung für notwendige politische Maßnahmen zu bekommen - und nun haben die Märkte Zweifel bekommen, ob die Politik die Probleme überhaupt lösen kann."
Schwung verloren
Hinzu kämen, so Viñals weiter, unverkennbare Anzeichen dafür, dass die Weltwirtschaft wieder an Schwung verliert. In Europa sorgten heftige Kapitalmarkt-Turbulenzen für Unsicherheit, und den USA mache die Herabstufung der Kreditwürdigkeit zu schaffen. "Die öffentlichen Haushalte in den Vereinigten Staaten, in Europa und in Japan müssen mittelfristig durch glaubhafte Konsolidierungsstrategien in Ordnung gebracht werden", sagte Viñals, das sei "absolut notwendig", um wieder Vertrauen in die Märkte zu bringen.
In Europa hätten die Risiken der hoch verschuldeten öffentlichen Haushalte bereits Auswirkungen auf das Bankensystem gehabt, so Viñals. So schätzt der IWF die Kreditrisiken, die in Europa operierende Banken seit Ausbruch der Schuldenkrise 2010 eingegangen sind, auf 200 Milliarden Euro. Weitere etwa 100 Milliarden Euro kämen noch einmal durch Finanzverbindungen europäischer Geldhäuser mit Banken in den Krisenstaaten hinzu.
Keine Kapitallücke
Diese Zahlen hatten bereits im Vorfeld für erheblichen Ärger und Wirbel in der Bankenszene gesorgt. In Washington stellte Viñals noch einmal klar - wie schon seine Chefin Christine Lagarde beim Treffen der G7-Finanzminister in Marseille -, dass diese Zahlen nicht als Kapitallücke oder zusätzlicher Kapitalbedarf als Folge von Zahlungsausfällen zu verstehen seien. Viñals bezeichnete diese Summen lediglich als "potenzielle Verluste", die aber nicht eintreten müssten, wenn die Politiker entschlossen genug handelten.
Autor: Rolf Wenkel, z.Zt. Washington
Redaktion: Susanne Eickenfonder