Finnlands Fußball-Revolution
16. November 2019Es war der Startschuss für eine historische Nacht in der finnischen Hauptstadt. Die 84. Spielminute hatte gerade angefangen als Temuu Pukki unter tosendem Applaus den Platz verließ. "Die Fans sind fantastisch", sagte der Angreifer am DW-Mikrofon nach dem Spiel. "Wir sind sehr dankbar, dass wir solche Anhänger haben." Mit zwei Toren war Pukki hauptverantwortlich für den 3:0 (1:0)-Erfolg der Huuhkajat über Liechtenstein. Ein Sieg für die Geschichtsbücher, denn Finnland qualifizierte sich dadurch erstmals für eine Europameisterschaft. "Es war ein großer Traum von uns allen. Jetzt haben wir es endlich geschafft", so Pukki.
Dementsprechend euphorisch war die Stimmung auf den Rängen des kleinen Stadions in Helsinki. Laute Rufe, Gesänge und wild umher hüpfende Zuschauer machten aus den letzten Minuten des Spiels eine große Fußball-Party, die nach dem Schlusspfiff auf den Kunstrasenplatz ausgeweitet wurde. "Es ist unbeschreiblich. Ich wurde von vielen Menschen umarmt, fast alle hatten Tränen in den Augen", sagte Lukas Hradecky. "Ich bin so dankbar und hoffe, wir haben das finnische Volk stolz gemacht."
Matti Härkönen: "Den Ball sinnlos treten"
Eine ganze Nation im Ausnahmezustand. Die Euphorie rund um die Nationalmannschaft kennt derzeit keine Grenzen. Egal, ob beim Public Viewing in der Stadt, beim Fan-Marsch zum Stadion oder bei der riesigen Party nach dem Schlusspfiff - die Begeisterung für die Nationalmannschaft war nicht zu übersehen. "Es fühlt sich merkwürdig an", beschreibt Journalist Matti Härkönen, der den finnischen Fußball seit vielen Jahren begleitet, die aktuelle Situation. Denn bis vor wenigen Monaten fand Fußball in der öffentlichen Wahrnehmung so gut wie nicht statt. Kein guter Spielstil, zahlreiche Niederlagen und keine einzige internationale Teilnahme prägten die Geschichte den finnischen Fußballverbandes. "In anderen Ländern spielen sie Fußball und hier in Finnland spielen wir Potkupallo", erklärt Härkönen. "Es bedeutet, den Ball sinnlos zu treten."
Den Wendepunkt in der Fußball-Historie macht Härkönen an Nationaltrainer Markku Kanerva fest. "Er versteht die Spieler und versucht mit einfachem Fußball zum Erfolg zu kommen, und das funktioniert." Kanerva führte 2009 bereits das U21-Team zur "kleinen" Europameisterschaft und ist seit drei Jahren hauptverantwortlich für die Nationalmannschaft. Seither kletterte Huuhkajat in der FIFA-Weltrangliste von Platz 94 auf den 55. Rang. "Er hat den größten Anteil an unserem Erfolg", sagt Pukki. "Er kennt die meisten Spieler sehr gut und gibt uns ein gutes Gefühl. Der Trainer ist sehr wichtig für uns."
Markku Kanerva ist die Schlüsselfigur
Derzeit erhält der 55-jährige Trainer viel Lob von allen Seiten. Im Interview mit DW weist er das jedoch weit von sich. "Ich mache das nicht alles alleine", erklärt Kanerva. "Ich habe ein tolles Team um mich herum, und wir wollen den Spielern helfen und sie besser machen. Die Ehre gebührt also nicht mir, sondern dem ganzen Team." Dennoch hat der ehemalige Lehrer eine Schlüsselrolle bei der finnischen Nationalmannschaft. "Egal, ob man Lehrer oder Cheftrainer bist, man muss mit vielen Einzelpersonen in einer Gruppe umgehen", erklärt Kanerva. "Ich habe viel gelernt als ich als Lehrer gearbeitet habe und nutze diese Fähigkeiten auch jetzt als Trainer." Spieler, Fans und auch Journalisten sind voll des Lobes für den Nationaltrainer. Mit ihm an der Seitenlinie könnte der finnische Fußballverband den entscheidenden Baustein gefunden zu haben, um auch in Zukunft Erfolg zu haben. "Es ist wie eine Revolution", sagt Härkönen und hofft auf eine positive Zukunft.