Neue Kunden und Märkte im Visier
13. Juli 2013Ein vollwertiges Smartphone für gerade einmal 69 Euro - ein neues Betriebssystem für Mobiltelefone macht's möglich. Das von der gemeinnützigen Mozilla-Stiftung entwickelte Betriebssystem "Firefox OS" hat das Potenzial, den Smartphone-Markt und den Zugang zum mobilen Internet zu revolutionieren. Bislang wird der weitgehend von Apple und Google kontrolliert. Die Betriebssysteme "iOS" beziehungsweise "Android" der beiden milliardenschweren US-Konzerne laufen auf rund 80 Prozent aller Smartphones und geben damit auch die Spielregeln für Entwickler, Nutzer und Mobilfunk-Anbieter vor.
Mobilfunkanbieter als Verbündete
"Das ist ein kaputtes Modell, das geändert werden muss. Wir wollen das Spiel öffnen", lautet die Kampfansage von Mozilla-Chef Gary Kovacz. Schon einmal ist es Mozilla gelungen, einen IT-Großkonzern zu ärgern: Mit der Entwicklung des Internet-Browsers Firefox, der die Vormachtstellung des Internet Explorers von Softwareriese Microsoft beendete. Die Strategie von damals soll auch Firefox OS zum Erfolg verhelfen: Das System basiert ausschließlich auf offenen Webstandards wie HTML, CSS und JavaScript. Der Quellcode ist frei zugänglich: Jeder, der Ideen hat, ist eingeladen, sich einzubringen, um das System zu verbessern.
Zusätzlich hat Mozilla mächtige Verbündete gefunden: 18 Mobilfunkunternehmen wollen die Einführung von Firefox OS unterstützen, darunter mit der Deutschen Telekom und dem spanischen Mobilfunkanbieter Telefónica zwei der größten europäischen Netzbetreiber. Auch der größte Mobilfunkanbieter Lateinamerikas, America Movil, sowie Sprint in den USA und China Unicom haben sich dem Projekt angeschlossen. Mit den neuen Firefox-Phones sollen nicht zuletzt neue Märkte in den Schwellen- und Entwicklungsländern erschlossen werden.
"Wir sehen in den Schwellenländern, wo Kunden und Mobilfunkbetreiber nach bezahlbaren Smartphones lechzen, enorme Chancen", verriet Li Gong, Vizechef des Bereichs Mobile bei Mozilla in einem Interview mit dem "Wall Street Journal". Da Firefox OS im Gegensatz zur Konkurrenz webbasiert ist, stellt es wesentlich geringere Ansprüche an die Hardware, entsprechend günstiger können daher die Endgeräte angeboten werden. "Unsere webbasierte Mobil-Software verbraucht weniger Energie und Speicherkapazität als Android oder Apples iOS", so Li Gong. "Sie bietet dieselbe Leistung bei niedrigeren Hardware-Kosten."
Smartphones und mobiles Internet für alle
So ist das erste Firefox-Handy, das Telefónica seit Anfang Juli in Spanien anbietet, schon für 69 Euro zu haben. Nach Angaben der Mozilla-Entwickler ist es ähnlich leistungsfähig wie ein Einsteiger-Smartphone, für das man mindestens das Vierfache hinlegen muss. Noch günstiger zu haben ist das Firefox-Gerät, mit dem die Deutsche Telekom zunächst in Polen neue Kunden gewinnen will. Im Tarif-Paket ist das One Touch Fire seit Freitag (12.07.2013) schon ab einem Zloty erhältlich, das sind umgerechnet rund 23 Euro-Cent. Ab Herbst soll es auch in Ungarn, Griechenland und in Deutschland auf den Markt kommen.
In Deutschland wird das Gerät vom Tochterunternehmen congstar vertrieben. Einen Preis und den genauen Termin für die Markteinführung will die Telekom noch nicht nennen. Offen spricht man jedoch darüber, was man sich von der Zusammenarbeit mit Mozilla verspricht: "Wir wollen Smartphones und mobiles Internet für alle anbieten", so Telekom-Sprecherin Marion Kessing. "Die, die sich bisher kein Smartphone leisten konnten, haben damit auch die Chance das mobile Internet zu haben und zu erleben."
Aber auch für Nutzer, die höhere Ansprüche an ein Smartphone stellen, könnte das mobile Mozilla-Betriebssystem in Zukunft attraktiv werden. "Es geht jetzt zunächst darum, Firefox OS überhaupt in den Markt zu bringen. Es sind aber schon einige namhafte Hersteller dabei, Geräte für dieses Betriebssystem zu entwickeln. Deshalb werden wir uns bald auch Geräte in anderen Segmenten ansehen", sagt Kessing.
Webtechnologie als Sicherheitsvorteil
Dann könnte ein gewichtiges Argument viele Nutzer möglicherweise zum schnellen Wechsel auf ein Firefox-Gerät bewegen: die Sicherheit. Denn im Mozilla-Betriebssystem werden installierte Applikationen nicht im Betriebssystem verankert, sondern im Prinzip wie Webseiten in einem Browser gestartet. "Das ist ein sehr großer Sicherheitsvorteil", sagt Georg Markus Kainz von quintessenz, Verein zur Wiederherstellung der Bürgerrechte im Informationszeitalter. Die App-Programmierer hätten dann lediglich die technischen Möglichkeiten, die Programmierer von Websites auch haben. "Und mit einer Webseite kann ich auch nicht den PC übernehmen."
Smartphones würden mehr und mehr den heimischen PC ersetzen, sagt Kainz, "und sozusagen zur Kommunikationsschaltzentrale der Familie werden, mit der Onlinebanking und Ähnliches abgewickelt wird. Da ist es besonders wichtig, dass man das Vertrauen hat, dass diese Geräte eben nicht als Spionagewerkzeuge dienen." Zwei weitere Punkte sprechen laut Kainz dafür, dass sich das neue Mozilla-Betriebssystem durchsetzen wird: das offene System und seine Basis, die Programmiersprachen HTML und Javascript.
"Natürlich kann ich auch mit Open Source böse Sachen programmieren. Aber da der Sourcecode offen ist, besteht die Chance, dass irgendein Entwickler die Schweinerei entdeckt und publiziert", so Kainz. "Und der Vorteil von HTML ist, dass es ein Weltstandard ist, der über alle Plattformen hinweg funktioniert." Das bedeutet: Der Programmieraufwand und auch die Kosten für die Anbieter von Apps würden minimiert. Vieles spricht dafür, dass die Mozilla-Revolution ein zweites Mal gelingt.