Fischereistreit im Ärmelkanal spitzt sich zu
6. Mai 2021Nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union schaukelt sich zwischen Franzosen und Briten ein Streit um Fischereirechte hoch: Großbritannien entsandte zwei Kriegsschiffe in das Seegebiet vor der Insel Jersey im Ärmelkanal. Es handele sich um eine "rein präventive Maßnahme", erklärte das Verteidigungsministerium in London. Inzwischen versuchen die Briten zu deeskalieren. Die beiden Schiffe würden zurückgezogen, blieben aber in Bereitschaft, sagte Premier Boris Johnson.
Frankreich schickte seinerseits zwei Patrouillenschiffe der Marine. Der französische Europaminister Clément Beaune sagte der Nachrichtenagentur AFP, sein Land lasse sich "nicht einschüchtern". Beaune forderte eine "schnelle und vollständige Anwendung des Abkommens" zum Brexit. Die für Meerespolitik zuständige französische Ministerin Annick Girardin hatte zuvor mit "Vergeltungsmaßnahmen" gedroht, sollte London die Fischereirechte einschränken. Nach ihren Angaben könnte der aus Frankreich durch Unterseekabel fließende Strom für die gut 100.000 Inselbewohner von Jersey gekappt werden.
Fischer aus Frankreich demonstrierten stundenlang mit ihren Booten direkt vor Jersey. Rund 50 Fischkutter positionierten sich so vor der Hafeneinfahrt der Inselhauptstadt St. Helier, dass Boote aus Jersey nicht auslaufen konnten. Der Streit dürfte mit dem Ende der Hafenblockade nicht beendet sein. Ein Sprecher der Fischervereinigung der Normandie sagte der Nachrichtenagentgur Reuters, erste Gespräche mit den Behörden auf Jersey über die Fischereirechte seien "nicht besonders positiv" verlaufen.
Fischereirechte - einer der Knackpunkte des Post-Brexit-Abkommens
Der Zugang von EU-Fischern zu britischen Gewässern und die Fangmengen waren nach langem Streit Ende Dezember im Brexit-Handelspakt geklärt worden. Die Fischereirechte waren einer der Knackpunkte in dem Handelsabkommen, das seit dem 1. Mai vollständig in Kraft ist. Die Briten müssen demnach in ihren Gebieten nur solche Fischerboote zulassen, die dort bereits seit 2012 aktiv sind. Die französischen Fischer beklagen, dies sei nicht leicht nachzuweisen. Ab 2026 sollen europäische Fischer dann auf ein Viertel ihrer Fänge in britischen Gewässern verzichten, das entspricht Erlöseinbußen von rund 650 Millionen Euro im Jahr.
Nach Angaben aus Paris ist es nur noch rund 40 französischen Schiffen erlaubt, vor Jersey ihre Netze auszuwerfen. Beantragt waren demnach Lizenzen für mehr als 340 Boote. Die Verwaltung von Jersey betont, sie halte sich strikt an die Brexit-Vereinbarungen.
EU mahnt zur Zurückhaltung
Die EU-Kommission hat die Konfliktparteien zur Zurückhaltung gemahnt. Die Streitpunkte müssten ruhig besprochen werden, sagte eine Kommissionssprecherin. Zugleich beklagte die Brüsseler Behörde einen britischen Verstoß gegen den Brexit-Handelsvertrag. "Die Kommission hat Großbritannien klar gemacht, dass die Vorgaben des Handels- und Kooperationsabkommens nicht respektiert wurden", erklärte die Kommission. Sollte die EU förmlich einen britischen Verstoß gegen das Handelsabkommen feststellen, könnte ein Schlichtungsverfahren angestrengt werden. Soweit sei man aber noch längst nicht, hieß es aus der EU-Kommission.
Jersey und die anderen britischen Kanalinseln sind als direkter Kronbesitz nicht Teil des Vereinigten Königreichs. Sie werde autonom verwaltet, London ist aber für die Außen- und Verteidigungspolitik verantwortlich. Jersey liegt etwa 23 Kilometer von der französischen und 140 Kilometer von der britischen Küste entfernt.
qu/uh (dpa, afp, rtr)