Flüchtlingspolitik: Schutzraum Europa?
Die Kritik am Versagen einer gemeinsamen Flüchtlings- und Asylpolitik der EU wächst mit jedem Unglück vor Europas Toren. Wir haben die wichtigsten Informationen über den EU-Flüchtlings- und Asylschutz zusammengestellt.
Zwischen Angst und Hoffnung
Gezwungen durch Bürgerkrieg, politische Verfolgung oder schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen suchen verzweifelte Menschen fern der Heimat Schutz und eine neue Perspektive. Viele flüchten innerhalb des eigenen Landes oder in Nachbarstaaten. Einige kommen in die Europäische Union. Ihre Not ist so groß, dass sie für eine bessere Zukunft ihr Leben riskieren.
Italiens Marine rettet Leben
So viele Migranten wie noch nie erreichen Italiens Küsten. Allein seit Jahresbeginn sind nach offiziellen Angaben 68.000 Menschen angekommen oder durch den Marine-Einsatz "Mare Nostrum" in Sicherheit gebracht worden. Die Zahlen werden in den kommenden Wochen weiter steigen, da das Mittelmeer derzeit besonders ruhig ist.
Misstrauen und Missbrauch
Nach schweren Bootsunglücken forderten EU-Politiker immer wieder gemeinsam das Aus für kriminelle Schlepperbanden oder einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen durch moderne Technik. Doch eine Einigung, Asylsuchende solidarisch innerhalb der EU zu verteilen, bleibt bisher aus. Das erweckt den Eindruck, die 28 EU-Staaten misstrauten sich gegenseitig - auf Kosten von hilfebedürftigen Menschen.
Wer bekommt Asyl?
"Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen", so steht es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Die EU hat nach jahrelangem Streit das "Gemeinsame Europäische Asylsystem" verabschiedet. Es soll nationale Standards für ein europaweites faires Verfahren angleichen und Solidarität für die Aufnahme von Schutzsuchenden in den EU-Staaten schaffen.
Viele Asylanträge werden abgelehnt
Rund 430.000 Asylanträge wurden 2013 in der EU gestellt - mehr waren es zuletzt 1992. Etwa 65 Prozent davon wurden abgelehnt, nur 15 Prozent der Antragsteller bekamen einen Asylstatus. Ihnen wurde Schutz oder der Flüchtlingsstatus garantiert. Die übrigen 20 Prozent erhielten nur eine vorläufige Aufenthaltsgenehmigung in der EU.
Die Schwierigkeit: Zuwanderung steuern
Die EU versucht eine Gratwanderung zwischen innerer Sicherheit und humanitärer Verpflichtung. Denn die Hauptflüchtlingsströme konzentrieren sich auf wenige Länder. Diese können die Zuwanderung, zum Beispiel an den EU-Außengrenzen, nicht alleine kontrollieren. Deshalb erhalten sie personelle und technische Unterstützung von der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Deren Einsätze sind heftig umstritten.
Variable EU-Außengrenzen
Die EU-Grenzschutzagentur Frontex untersteht bei ihren Einsätzen dem Befehl der nationalen Behörden. Das soll sich bald ändern. Immer wieder steht Frontex im Verdacht, Flüchtlinge auf Anweisung einzelner Staaten an den EU-Grenzen zurückzuweisen, überfüllte und seeuntüchtige Boote auf internationale Gewässer abzudrängen und in Seenot geratene Flüchtlinge nicht zu retten.
Nicht überall die gleichen Rechte
Unterbringung und Rechte der Flüchtlinge unterscheiden sich von Land zu Land sehr. In einigen Staaten werden illegale Einwanderer inhaftiert. Auch welche Kriterien jemand erfüllen muss, um als Flüchtling anerkannt zu werden, ist von dem Staat abhängig, in dem der Asylantrag gestellt wird. Das EU-Ziel ist es, sowohl die Flüchtlingsrechte als auch die Lebens- und Arbeitsbedingungen anzupassen.
EU-Hilfe zur Selbsthilfe
Neu ist das eigens geschaffene Unterstützungsbüro für Asylanfragen mit Sitz auf Malta. Der Mittelmeerstaat steht selber oft in der Kritik, mit illegalen Flüchtlingen überfordert zu sein. Allein im letzten Quartal 2013 wurden auf der 400.000-Einwohner-Insel rund 300 Asylanträge registriert. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl ist das der zweithöchste Wert innerhalb der EU hinter Schweden.
EGMR als Hoffnungsträger
Malta, Italien und Griechenland wurden in der Vergangenheit mehrfach zu Geldstrafen verurteilt, weil Schutzsuchende und Asylbewerber unter schlechten Haftbedingungen litten. Wenn ein Staat massiv gegen Menschenrechte verstößt, kann der Betroffene gegen das Land vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen. Dieser hat einen generellen Abschiebestopp nach Griechenland durchgesetzt.
Viele Flüchtlinge aus Syrien
Rund 50.000 Asylanträge in der EU wurden 2013 von Menschen aus Syrien gestellt (im Bild: syrische Flüchtlinge in Bulgarien). In dem dort herrschenden Bürgerkrieg starben laut UN-Angaben in den vergangenen drei Jahren bislang mehr als 140.000 Menschen. Russland und Afghanistan stehen mit 41.000 bzw. 26.000 Antragstellern auf Platz zwei und drei der Herkunftsländer.
Länger als erlaubt
Aus Russland flüchteten im vergangenen Jahr 41.000 Menschen in die EU. Russen können mit einem Visum in die Europäische Union einreisen und sich innerhalb des Staatenbundes frei bewegen. Doch nach Ablauf der Aufenthaltserlaubnis kehren manche nicht in ihr Heimatland zurück, sondern stellen einen Asylantrag. Sie flüchten zum Beispiel vor politischer Verfolgung oder Folter.
Kritik bleibt
Bis das "Gemeinsame Europäische Asylsystem" mit erhöhten Schutzstandards für Flüchtlinge in Kraft tritt, dauert es noch. Menschenrechtsorganisationen kritisieren außerdem, dass Asylsuchende weiterhin inhaftiert werden und Schutzsuchende in beschleunigten Asylverfahren abgeschoben werden dürfen, selbst wenn ihre Heimatländer nicht als sicher gelten.