Fleischindustrie wird zum Corona-Brennpunkt
8. Mai 2020Die Landesregierung nehme die Lage "sehr ernst", sagte ein Sprecher in Düsseldorf. Der nordrhein-westfälische Kreis Coesfeld hatte zuvor gemeldet, dass 129 Mitarbeiter des Betriebs Westfleisch positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Von ihnen kamen 13 ins Krankenhaus. Nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) ist in Coesfeld zudem der Grenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche überschritten worden.
Deshalb habe das NRW-Gesundheitsministerium bereits am Donnerstagabend die Bezirksregierungen angewiesen, unverzüglich alle Beschäftigten von Schlachtbetrieben im Land testen zu lassen. Insbesondere müssten Mitarbeiter getestet werden, die mit einem Werkvertrag beschäftigt seien. Zu den Maßnahmen gehöre auch die Kontrolle ihrer Unterkünfte, sagte der Sprecher. Bei hygienischen Defiziten müssten Auflagen zur Nachbesserung erteilt werden.
Lage der Erntehelfer mit im Blick
Eine Kontrolle der Unterkünfte soll auch bei den ausländischen Erntehelfern vorgenommen werden, die seit April unter strengen Regeln in Deutschland arbeiten dürfen. In NRW beispielsweise müssen sich die Unterkünfte auf dem Betriebsgelände der Landwirte befinden. Sie dürfen 14 Tage lang nur halb belegt werden.
Ebenso wie Nordrhein-Westfalen will auch Sachsen-Anhalt alle Mitarbeiter von Schlachtbetrieben im Land auf das Coronavirus testen. Zusätzlich werde man auch alle Erntehelfer testen, kündigte Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne in Magdeburg an. Hygiene- und Sicherheitsregeln würden in vielen Betrieben noch nicht beachtet.
Arbeitsmigranten und Saisonarbeiter in der Fleischindustrie oder auch der Landwirtschaft stehen dem Coronavirus oftmals wehrlos gegenüber. Denn die Menschen leben meist in engen Sammelunterkünften, was die Infektionsgefahr erheblich verschärft. Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es 35 große Schlachthöfe mit bis zu 20.000 Mitarbeitern.
Laut einem Bericht des "Spiegel" wurden bislang bundesweit mehr als 600 Mitarbeiter in Schlachtbetrieben positiv auf das Coronavirus getestet. Meist hätten sich rumänische Werkvertragsarbeiter angesteckt, die in Gemeinschaftsunterkünften lebten, berichtet das Magazin unter Berufung auf Behörden.
Demnach wurden auch beim baden-württembergischen Produzenten Müller Fleisch in den vergangenen Wochen etwa 300 Infizierte registriert. "In den Betrieben darf weitergearbeitet werden, weil die Behörden davon ausgehen, die Lage mit den verfügten Quarantänemaßnahmen unter Kontrolle zu haben", heißt es in dem "Spiegel"-Bericht weiter.
Dagegen hat die Firma Vion ihren Schlachtbetrieb im schleswig-holsteinischen Bad Bramstedt geschlossen. Dort wurden bis Donnerstag 109 Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet, wie die Kreisverwaltung mitteilte. Alle Mitarbeiter des Betriebs seien unter Quarantäne gestellt worden, unabhängig vom Testergebnis. Und auch die Coesfelder Firma Westfleisch soll nach einer Anordnung von Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann vorläufige geschlossen werden.
Bund und Länder hatten sich am Mittwoch darauf verständigt, dass zahlreiche im Zuge der Corona-Krise verfügte Einschränkungen des öffentlichen Lebens wieder gelockert werden. Sollte es zu einer Überschreitung des Grenzwerts der Infektionen kommen, soll umgehend wieder ein Beschränkungskonzept in Kraft treten. Falls es sich um ein lokales und klar eingrenzbares Infektionsgeschehen handelt, zum Beispiel in einer Einrichtung, können Beschränkungen nur für diese Einrichtung angeordnet werden.
uh/qu (dpa, afp)