Flucht vor der Armut
15. Oktober 2005Die meisten Flüchtlinge, die in den vergangenen Tagen die Sperrzäune in den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla überrannt haben, hat die Armut aus ihrer Heimat vertrieben. Tausende von Afrikanern vertrauen sich Schleusern an, die sie in oft untauglichen Booten Richtung Europa bringen sollen. Die meisten von ihnen kennen dabei Europa nur aus dem Fernsehen oder aus Erzählungen. Ihre Vorstellungen sind oft wenig realistisch - Europa ist für sie ein Kontinent mit Zukunft, wo es genügend Arbeit für alle gibt.
Es gebe viele Gründe dafür, dass sich der Flüchtlingsdruck verstärke, sagt auch Jean-Philipe Chauzy von der Internationalen Organisation für Migration. "Die Ungleichheiten zwischen den Ländern im Süden und im Norden spielen eine Rolle." In den Herkunftsländern herrsche ein wirtschaftliche Perspektivlosigkeit. "In den Zielländern erwarten die Afrikaner viele Arbeitsmöglichkeiten im informellen Sektor." Man dürfe nicht vergessen, dass es in einer globalisierten Welt "auch in Niamey und Accra Bilder von der Konsumgesellschaft in nördlichen Ländern gibt".
Jean Philipe Chauzy bedauert, dass bisher keine langfristige Lösung gefunden wurde. "Leider wird die Frage der Migration auf der europäischen Ebene nur mit der Diskussion über die Grenzkontrollen behandelt", sagt er. Es gebe aber auch andere Möglichkeiten die illegale Einwanderung zu bremsen. Als Beispiel nennt er die bilateralen Entwicklungsprogramme der 1990-Jahre. Damals hat man in Ländern des Südens investiert, um dort Arbeitsplätze und Wohlstand zu schaffen und damit Migrationswilligen eine Perspektive zu bieten.
Wirtschaftsprogramme für Migranten
Der Migrations-Experte schlägt ein weiteres, "sicheres Mittel" vor, um illegaler Einwanderung vorzubeugen: Es müsse in den Zielländern spezielle Programme für Migranten geben. "Dann könnten die Menschen mit entsprechenden Kompetenzen ganz legal in der Wirtschaft der nördlichen Länder eingesetzt werden", sagt Chauzy.
Für Afrika ist der massenhafte Exodus eine Katastrophe."Vor allem afrikanische Akademiker, die zur Entwicklung des Kontinents beitragen könnten, können sehr leicht nach Europa einwandern", bedauert Adam Thiam, Pressesprecher der Afrikanischen Union. Auch er macht die "schwache politische und wirtschaftliche Entwicklung in Afrika" für die zunehmende Auswanderung verantwortlich. Deshalb könne das Problem der Migration nicht losgelöst von der Armut behandelt werden: "Der Jugend auf dem Kontinent fehlen die Perspektiven."
Deshalb will die Afrikanische Union den schon bestehenden politischen Kontakt mit der Europäischen Union in den kommenden Monaten auf die Migrations-Debatte ausweiten. "Das ist eine lebenswichtige Debatte, die die Beziehungen zwischen Europa und Afrika nachhaltig bestimmen wird."