Neue Fluchtwelle im Irak
18. Juli 2016Eigentlich bringt Joachim Rücker, der deutsche Botschafter bei den Vereinten Nationen und Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die Stabilitätspartnerschaft Mittlerer Osten Nachrichten aus dem Irak mit, die hoffen lassen. "Der IS wird im Irak zunehmend zurückgedrängt, nach Falludscha bereitet man sich jetzt auf die Befreiung von Mossul vor", berichtet der Diplomat. Aber mit der islamistischen Terrormiliz auf dem Rückzug bahnt sich etwas an, das, so Rücker, nach Schätzungen der UN zur "größten humanitären Aktion des Jahres 2016" werden könnte. "Mehrere 100.000, vielleicht sogar eine Million Menschen werden sich auf den Weg machen." Eine zerstörte Infrastruktur, mangelnde Perspektiven, Angst vor neuem Terror oder Vegeltung für die Gräuel der vergangenen Monate - damit nennt Rücker nur einige Gründe, die die Fluchtbewegungen verursachen
Der deutsche Vertreter bei der UN war in den vergangenen Tagen im kurdischen Norden des Irak und hat sich angeschaut, wie man sich dort auf die Flüchtlingswelle vorbereitet. "Es entstehen insgesamt acht neue Lager", berichtet Rücker von einem Besuch in einem der entstehenden Camps. Fachleute gehen davon aus, dass die meisten Menschen aus den befreiten Zonen versuchen werden, sich in den Kurdengebieten in Sicherheit zu bringen. Sie gelten als die stabilste Region im Land. Die Regionalregierung in Erbil erwarte etwa 500.000 Flüchtlinge, habe aber selbst keine Mittel, um das zu bewältigen, so Rücker. Am 20. Juli wird es wegen der erwarteten Tragödie in Washington eine Geberkonferenz geben. "Die Vorbereitung ist essentiell und deshalb kommt die Pledging-Konferenz zur rechten Zeit", betont der Diplomat.
Hoffnung auf eine Milliarde Dollar für den Irak
In der US-Hauptstadt tritt Deutschland, neben Japan, Kanada, den Niederlanden und den USA, als Gastgeber der Konferenz auf - Außenminister Frank-Walter Steinmeier wird dort erwartet. "Wir wollen da finanzielle Ressourcen für humanitäre Hilfe und Stabilisierung mobilisieren", erklärt Rücker. Es wird erwartet, dass sich 25 Staaten einbringen und mehr als eine Milliarde Dollar zusammenkommt. Der deutsche Beitrag, heißt es im Auswärtigen Amt, werde "substanziell" sein, wurde aber nicht genauer beziffert. Nach Angaben der US-Regierung gibt es derzeit im Irak etwa 3,4 Millionen Binnenflüchtlinge und rund zehn Millionen Menschen sind dringend auf lebenserhaltende humanitäre Unterstützung angewiesen. Der finanzielle Bedarf dafür liege demnach sogar bei etwa zwei Milliarden Dollar.
Nach der Geberkonferenz werden sich noch die Mitglieder der Anti-IS-Koalition treffen und über das weitere Vorgehen im Irak sprechen. 40 Staaten beteiligen sich an diesen Gesprächen. Das Vertrauen der Bevölkerung der befreiten Gebiete in die Zentralregierung soll gestärkt werden. "Sonst haben die militärischen Erfolge keinen Bestand", unterstreicht Rücker. Bagdad selbst kann immer weniger aus eigener Kraft stemmen. Der niedrige Ölpreis hat die Wirtschaft ins Straucheln gebracht. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dem Irak bereits im Februar einen Kredit von 500 Millionen Euro zugesagt.