Flüchtlingslager Kakuma - Leben im Nirgendwo
Das Kakuma-Camp im Nordwesten Kenias zählt zu den weltweit größten Flüchtlingslagern. Seit 25 Jahren suchen Menschen aus den Nachbarländern hier Zuflucht. Wie sieht der Alltag in dem Riesen-Camp aus? Rahel Klein war da.
Fast 200.000 Menschen im Nirgendwo
"Kakuma" heißt auf Kiswahili so viel wie "Nirgendwo". In der heißen und trockenen Region, rund 100 Kilometer von der Grenze zum Südsudan entfernt, leben heute rund 180.000 Menschen Hütte an Hütte, Lehmhaus an Lehmhaus. Die Bewohner sind vor Krieg oder Hunger aus dem Sudan und Südsudan, aus Somalia, Uganda und weiteren Nachbarländern geflohen.
Kein Stopp des Flüchtlingsstroms
Ursprünglich war das Camp einmal für 125.000 Menschen vorgesehen, aber immer noch kommen täglich Flüchtlinge an. Pro Monat erreichen 1000 bis 2000 Menschen das Camp in Kakuma. Teresa Akong Anthony (Bild) aus dem Südsudan ist vor zwei Wochen angekommen. Bei 37 Grad wartet sie im Schatten einer Wellblechhütte darauf, dass sie und ihre drei Kinder als Flüchtlinge registriert werden.
Geboren als Flüchtling
Wer durch Kakuma läuft, dem fällt schnell auf: Es gibt extrem viele junge Menschen hier. Mehr als 60 Prozent der Bewohner sind unter 17 Jahre alt. Viele sind im Camp geboren und aufgewachsen. Für sie ist das Wort "Heimat" schwierig zu definieren. Sie haben oft keine Beziehung zu ihrem Herkunftsland, sind aber auch keine Kenianer. Sie sind als Flüchtling zur Welt gekommen.
Herausforderung Alltag
Vor drei Jahren floh Kandida Nibigira vor der Gewalt in Burundi. Sie lebt mit ihren acht Kindern in einem Lehmhäuschen in Kakuma. Temperaturen um 40 Grad, extrem trockener Boden und wenig Essen fordern die Familie täglich heraus. "Dieser Monat ist besonders schlimm, wir essen nur ein Mal am Tag", sagt die 38-Jährige während sie versucht, ihren Sohn mit dem bisschen Milch zu stillen.
Gekürzte Essensrationen
Normalerweise findet in dem vom UNHCR betriebenen Camp zwei Mal pro Monat eine Essensausgabe statt. Wenn die Bewohner ihre Lebensmittelkarte vorzeigen, bekommen sie Öl, Hirse, Bohnen, angereicherten Mais und ein Stückchen Seife. Weil nicht mehr genügend Gelder zur Verfügung stehen, wurden die Rationen ab Dezember aber um die Hälfte gekürzt. Die Lebensmittel müssen jetzt einen Monat lang reichen.
Schlange stehen fürs Essen
Fünf Stunden - so lange dauert es ungefähr, bis einer der Bewohner alle Ausgabestationen abgeklappert hat. Die kleinen Portionen werden in Plastiktüten und Kanister gefüllt. Die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen werden durch Maschendrahtzäune abgeschirmt - als Schutz vor Unruhen. Dadurch sieht die große Halle mit dem Wellblechdach aus wie ein riesiger Freiluftkäfig.
Ein Flüchtlingslager wird zur Stadt
Neben den Lebensmittelkarten bekommen die Campbewohner aber auch Gutscheine, die sie in bestimmten Shops einlösen können. In den vergangenen 25 Jahren ist aus Kakuma eine regelrechte kleine Stadt geworden. An der Marktstraße verkaufen die Bewohner Dinge für den täglichen Gebrauch: Lebensmittel, Werkzeuge, Elektroartikel oder Sim-Karten.
Wenig Jobs
Flüchtlinge in Kakuma dürfen nur mit einer Sondererlaubnis arbeiten, außerdem gibt es nur wenig Jobs. Manche arbeiten für Hilfsorganisationen, aber der Großteil hat keine Arbeit. Um die Chancen zu erhöhen, gibt es einzelne Ausbildungsprojekte. Hier werden Flüchtlinge - aber auch die lokale Bevölkerung - zum Schreiner, Elektriker oder als Näherin ausgebildet.
Chance: Bildung
"Ich möchte Krankenschwester werden", sagt Kamuka Ismali Ali. Als der Krieg im Südsudan ihre Heimat erreichte, musste sie von einer Sekunde auf die nächste fliehen. "Ich weiß bis heute nicht, ob meine Familie noch lebt". Die 20-Jährige besucht eine der Schulen in Kakuma und will ihren Abschluss machen. "Wenn der Krieg vorbei ist, vielleicht kann ich dann zurück und meiner Familie helfen."
Medizinische Versorgung
In einem Krankenhaus und sechs Gesundheitszentren ("clinics") werden die Bewohner von Kakuma medizinisch versorgt. Es gibt unter anderem eine Geburtenstation, eine Augenklinik, eine Zahnarztklinik und auch eine orthopädische Abteilung. Fatuma Butoyi (Bild) hat vor ein paar Stunden eine kleine Tochter zur Welt gebracht und kann sich in einem der Klinikbetten ausruhen.
Pragmatismus ist angesagt
"RE" - Right Eye, "LE"- Left Eye oder "BE" - Both Eyes steht auf den kleinen weißen Klebezetteln, mitten auf der Stirn des Patienten. Dadurch weiß der Arzt sofort, welches Auge er behandeln muss - zumal die Kommunikation wegen der verschiedenen Sprachen und Dialekte schwierig ist. Die medizinische Versorgung im Camp ist pragmatisch organisiert.
Neues Integrationskonzept
Dank internationaler Helfer können die Menschen im Camp mit dem Nötigsten versorgt werden. Doch weil Kakuma weiter wächst und die Flüchtlinge stark abgeschottet von der lokalen Bevölkerung leben, sollen etwa 60.000 Flüchtlinge in einem neuem Gebiet, rund 20 km entfernt, angesiedelt werden. Dort liegt der Fokus stärker auf Selbstversorgung und Zusammenarbeit unter Flüchtlingen und Einheimischen.