Möglicher Superspreader bei Tönnies gefunden
23. Juli 2020Das ist das Ergebnis der Studie von Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI), der Uniklinik Hamburg-Eppendorf und des Leibniz-Instituts für Experimentelle Virologie. Demnach hat ein einziger Mitarbeiter als sogenannter "Superspreader" in der Rinderzerlegung im Mai 2020 das Virus SARS-CoV-2 in der Schlachtfabrik Tönnies im westfälischen in Rheda-Wiedenbrück verteilt. Dabei wurde das Virus nach dem Forschungsergebnis auf weitere Beschäftigte im Umkreis von mehr als acht Metern übertragen. Dazu wurden die Standorte der Arbeiter bei der Arbeit und die Infektionsketten anhand von Virussequenzen analysiert.
Größte Gefahr bei gekühlter und umgewälzter Luft
Die Bedingungen des Zerlegebetriebs spielen demnach eine entscheidende Rolle bei den auftretenden Ausbrüchen in Fleisch- oder Fischverarbeitungsbetrieben, wie das an der Studie beteiligte Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig mitteilte. Die hauptsächliche Übertragung habe bei Tönnies in einem Bereich stattgefunden, wo Luft umgewälzt und auf zehn Grad Celsius gekühlt werde, sagte der Braunschweiger Professor Adam Grundhoff. Zudem gebe es eine geringe Frischluftzufuhr, und es werde anstrengende körperliche Arbeit geleistet. "Unter diesen Bedingungen ist ein Abstand von 1,5 bis drei Metern alleine ganz offenbar nicht ausreichend, um eine Übertragung zu verhindern."
Es stelle sich nun die wichtige Frage, unter welchen Bedingungen Übertragungsereignisse über größere Entfernungen in anderen Lebensbereichen möglich seien, sagte Melanie Brinkmann, Professorin und Forschungsleiterin am HZI.
Wohnsituation der Arbeiter spielte keine wesentliche Rolle
Der Bonner Hygiene-Professor Martin Exner hatte bereits früh die Luftumwälzung als einen möglichen Faktor für die Virus-Ausbreitung benannt, nachdem er die Arbeitsbedingungen vor Ort im Tönnies-Werk analysiert hatte. Exner hatte Mitte Juni zudem vermutet, dass auch die Wohnsituation der Arbeiter eine Rolle spielen könne. Die Forscher aus Hamburg und Braunschweig dagegen betonten nun, dass die Wohnsituation der Werksarbeiter während der untersuchten Phase keine wesentliche Rolle gespielt habe.
Mehr als 2100 Corona-Infektionen stehen im Zusammenhang mit dem Tönnies-Schlachthof, es war der bislang größte Einzelausbruch in Deutschland.
Ein Unternehmenssprecher von Tönnies berichtete, die Arbeiter würden zwar nicht in den unterschiedlichen Bereichen durchmischt eingesetzt. Aber die Arbeitsplätze lägen in der Fabrik nah beieinander. Zudem begegneten sich die Beschäftigten in den Gängen auf dem Weg zur Arbeit und in den Sozialräumen. Inzwischen wurde die Lüftungstechnik im Werk in Rheda-Wiedendrück verändert.
qu/mak (dpa, epd)