Fragwürdige Solidarität
15. August 2003Afrikas Despoten gehen nur selten in Rente, zumindest nicht im eigenen Land. Werden sie nicht hingerichtet, massakriert oder zu Tode gefoltert, dann lockt fast immer das Exil. Die Zahl der Exilanten unter den afrikanischen Staatschefs wuchs mit Liberias Ex-Präsidenten Charles Taylor auf aktuell zehn. Taylor wird wahrscheinlich in Nigeria bleiben, zumindest hat ihm die dortige Staatsführung ein komfortables Anwesen und den Schutz vor Auslieferung an den Internationalen Gerichtshof angeboten. Und Taylor kann auf die afrikanische Solidarität bauen. Noch nie wurde ein ehemaliger Staatschef von seinem Gastland in die Heimat ausgeliefert.
Von dieser Art Tradition profitiert derzeit auch Hissene Habre. 1990 ging er als gestürzter Präsident des Tschad ins senegalesische Exil. Acht Jahre lang hatte er den Tschad beherrscht, unter ihm sollen Tausende Regimegegner ermordet worden sein. Gegen Habre läuft deshalb auch ein Verfahren in Brüssel. Senegals Staatschef, Abdoulaye Wade, weigert sich aber bislang, seinen Gast auszuliefern.
Komfort und Rente für Massenmörder
Auch Afrikas bekanntester Schlächter, Idi Amin Dada, lebt unbehelligt im Asyl. 1979 floh er vor den anrückenden tansanischen Truppen aus Uganda - zunächst nach Libyen, dann nahmen ihn seine islamischen Glaubensbrüder in Saudi-Arabien auf. 1989 versuchte er erfolglos in die ugandische Politik zurückzukehren, doch auch in der Fremde mangelt es nicht an Komfort: Amin bezieht eine Rente vom saudischen Königshaus. Nach neuesten Informationen soll der 75-Jährige ernsthaft erkrankt sein und sogar im Sterben liegen. Die Angehörigen der etwa 300.000 Ermordeten unter seiner achtjährigen Herrschaft werden kaum um ihn trauern.
Nach drei Jahren im nigerianischen Exil starb 1995 der ehemalige Staatschef von Somalia, Mohammed Siad Barre. Er war 1969 durch einen unblutigen Putsch an die Macht gekommen und hatte die sozialistische Republik Somalia ausgerufen, die er bis 1990 regierte. Nach dem Scheitern seiner Wirtschaftsreformen übte er massive Gewalt auf opponierende Clans aus, und schuf damit die Voraussetzungen für den Bürgerkrieg nach seiner Flucht. Im nigerianischen Asyl lebte er unbehelligt und vom Staat mit einer mehr als ausreichenden Apanage versehen.
Keine öffentliche Debatte
Ebenfalls in ein afrikanisches Land floh der frühere äthiopische Revolutionsführer Mengistu Haile Mariam. Der Erfinder des "Roten Terrors", der seine Macht mit der Ermordung von Regimegegnern, aber auch völlig unbeteiligten Bauern und verarmten Städtern festigte, lebt seit 1991 in Simbabwe als persönlicher Gast von Robert Mugabe. Berüchtigt ist er für seinen aufwändigen Lebensstil und seine Wutausbrüche gegenüber Bediensteten, doch ein Ende seines Aufenthalts in der Hauptstadt Harare steht nicht zur öffentlichen Debatte.
Auch in Europa leben ehemalige afrikanische Diktatoren. Frankreich nahm den früheren Präsidenten von Madagaskar, Didier Ratsiraka, auf, in London lebt der Ex-Präsident von Kongo-Brazzaville, Pascal Lissouba. Beide haben keinen politischen Einfluss mehr und sollen angeblich einen relativ bescheidenen Lebensstil führen.
Rückkehr ins "Herz der Finsternis"
Zurückgekehrt ist nur einer der Despoten des afrikanischen Kontinents. Der bizarrste unter ihnen: der "Kannibalenkaiser" und Massenmörder Jean Bedel Bokassa, Ex-Präsident der Zentralafrikanischen Republik. Er lebte jahrelang im Pariser Exil, nachdem er 1979 wegen eines Massakers an Zivilisten abgesetzt wurde. Ein Jahr später wurde er wegen Massenmordes und angeblicher Menschenfresserei in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Als Bokassa dann 1987 - manche sagen in einem Anflug von Machtwahn - in die zentralafrikanische Republik zurückkehrte, wurde die Strafe umgewandelt und er nach sechs Jahren Luxushaft wieder freigelassen. Er starb im Jahr 1996 im Alter von 75 Jahren friedlich in Bangui am Ufer des Ubangi-Flusses, genau an dem Ort, wo der englische Schriftsteller Joseph Conrad sein "Herz der Finsternis" schlagen ließ.