Frank Schmidt: Rekordtrainer mit tiefen Wurzeln
17. September 2023"Unkaputtbar", so heißt die Biografie von Frank Schmidt, dem Trainer des Bundesliga-Aufsteigers 1. FC Heidenheim. Den Titel hat er gewählt, weil ein gegnerischer Trainer mit diesem Wort einmal die Spielweise und den Charakter des 1. FC Heidenheim beschrieb, und weil das Attribut auch auf Schmidt persönlich gut passt.
Das Buch erschien Ende Juni und blickt zurück auf den Weg, den Schmidt mit seinem Verein in den vergangenen 16 Jahren bewältigt hat. Von der damals viertklassigen Oberliga ging es Schritt für Schritt rauf bis in die Fußball-Bundesliga.
Eine große sportliche Leistung, bei der Schmidt - fast ganz nebenbei - einen neuen Rekord im Profifußball aufstellte. Am Sonntag beim Heimspiel der Heidenheimer gegen Werder Bremen absolvierte er seinen 5844. Arbeitstag als FCH-Trainer. Passend dazu gelang seinem Team der erste Bundesliga-Sieg der Vereinsgeschichte.
So lange wie Schmidt war bisher noch kein anderer Coach bei einem deutschen Profi-Fußballverein ohne Unterbrechung beschäftigt. Bisheriger Rekordhalter war Volker Finke, der von 1991 bis 2007 beim SC Freiburg auf der Bank saß und den Sportclub unter anderem erstmals in die Bundesliga und in den Europapokal führte.
Aus Not- wird Dauerlösung auf der Bank
Anders als Finke kam Schmidt am 17. September 2007 eher durch Zufall und als vorübergehende Notlösung zu seinem Job. Die Heidenheimer, bei denen Schmidt drei Monate zuvor seine Spielerkarriere beendet hatte, hatten nach sechs Spieltagen den Trainer entlassen.
Schmidt sollte interimsmäßig für zwei Spiele einspringen. Doch beide wurden gewonnen und aus zwei Partien wurden - Stand jetzt - 16 Jahre, in denen der FCH viermal aufstieg. "Was ich mache, ist ja im Prinzip keine richtige Arbeit, sondern ein Hobby", sagt Schmidt, dessen Vertrag in Heidenheim noch bis 2027 läuft.
Schmidt, der als Spieler unter anderem bei Alemannia Aachen in der 2. Liga aktiv war, ist mit Leib und Seele Trainer, auch wenn der Job viel Kraft kostet. "Ich hätte mich zurückziehen, ein ruhiges Leben führen können, ich war sogar kurz davor", schreibt er in seiner Biografie.
"Stattdessen bin ich nahezu komplett, von morgens bis abends, erfasst von einem Gedanken: Wie kann meine Mannschaft das Spiel am Wochenende gewinnen? (…) Und das kostet fast alle meine Energiereserven."
Tiefe Wurzeln in Geburtsstadt Heidenheim
Dass es zwischen Schmidt und dem 1. FC Heidenheim seit 16 Jahren so gut passt, liegt zum einen sicherlich daran, dass auch in der Chefetage des Vereins seit langer Zeit Kontinuität herrscht. Mit Holger Sanwald ist seit 1994 ein und dieselbe Person als Klubchef beim FCH verantwortlich.
Sanwald war es auch, der Schmidt 2007 zum Trainer machte. "Ohne Frank wäre unser sportlicher Aufstieg aus dem Amateurfußball bis in die Bundesliga so nie möglich gewesen", wird Sanwald in der "Heidenheimer Zeitung" (HZ) zitiert. "Umso mehr gilt Frank unser größtmöglicher Dank für diese einzigartige Leistung."
Außerdem ist Schmidt in der Region tief verwurzelt. Vor 49 Jahren wurde er in Heidenheim geboren und wuchs im Nachbarort auf. Die letzten vier Saisons seiner Spielerkarriere lief er für Heidenheim auf, kurz danach wurde er Trainer beim FCH.
Sein Erfolgsgeheimnis in all den Jahren bringt seine Ehefrau Nadine auf den Punkt: "Er hat sich, seit wir uns kennen, nicht verändert", sagte sie der HZ - und das ist eine lange Zeit, immerhin sind die beiden seit 35 Jahren ein Paar.
"Er ist authentisch und verstellt sich nie. Er ist konsequent. Und um es auf den Nenner zu bringen: hart, aber herzlich."
Rekord nicht so wichtig
Diese Härte wäre vor einigen Jahren allerdings fast ins Auge gegangen: Nachdem Schmidt sich beim Training einen Muskelriss im Oberschenkel zugezogen hatte, schonte er sich nicht ausreichend und erlitt zunächst unbemerkt eine tiefe Beinvenenthrombose und infolgedessen eine lebensgefährliche, beidseitige Lungenembolie, die ihn auf die Intensivstation brachte. Nach sechs Tagen in der Klinik und zwei weiteren auf dem heimischen Sofa stand er wieder auf dem Trainingsplatz - unkaputtbar eben.
Jetzt steht die Übernahme des Rekords von Volker Finke an - und dem bescheidenen Schmidt ist es im Grunde nicht so wichtig. "Letztes Jahr hatte ich mein 15-Jähriges, da gab es eine tolle Choreo. Das brauche ich dieses Jahr nicht wieder", sagt er.
Und fügt hinzu: "Ich lebe im Hier und Jetzt. Viel wichtiger ist, welchen Weg wir genommen haben in Heidenheim, und dass wir jetzt in der Bundesliga spielen."
Dass Schmidt bei Aussagen wie diesen die fragenden Journalisten stets mit leicht schiefem Kopf anschaut, hat indes nichts mit Koketterie zu tun. Schmidt leidet an einer Verknöcherung der Halswirbelsäule, die für seine allzeit leicht schiefe Kopfhaltung verantwortlich ist. Angesprochen wird er selbst darauf nicht gerne - Schmidt zieht es vor, wenn Menschen nicht auf Äußerlichkeiten reduziert oder nach ihnen bewertet werden.
Zudem ist ihm zu viel Aufhebens um seine eigene Person nicht recht. Er sieht sich selbst lediglich als einen Teil des Erfolgsgeheimnisses in Heidenheim, aber nicht als den wichtigsten - und keinesfalls als unersetzbaren.
Als nach dem Aufstieg im Mai darüber gescherzt wurde, dass man jetzt eigentlich eine Statue von ihm vor das Stadion stellen müsste, winkte Schmidt ab und sagte: "Da wird irgendwann hingepinkelt, und das möchte ich nicht." Viel wichtiger als irgendein persönlicher Rekord war zunächst das Spiel gegen Bremen. Danach das nächste, und das nächste, und das nächste…
Der Text wurde nach dem 4:2-Sieg der Heidenheimer gegen Werder Bremen aktualisiert.