Frankreich: Entscheidung um das Präsidentenamt
24. April 2022Da in der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen keiner der Kandidaten und Kandidatinnen die absolute Mehrheit der Stimmen gewinnen konnte, ist die Stichwahl nötig. Zwar sagten Umfragen zuletzt einen wachsenden Vorsprung für den Mitte-Politiker Emmanuel Macron voraus - dennoch wird ein Sieg der auch mit extrem rechten Forderungen antretenden Marine Le Pen nicht gänzlich ausgeschlossen. Im ersten Wahlgang hatte Macron mit 27,9 Prozent knapp 5 Prozentpunkte vor Le Pen gelegen.
Wiederholt sich 2017?
Bereits vor fünf Jahren standen sich die beiden in der Stichwahl gegenüber. Im ersten Wahlgang lag Macron - damals politischer Neuling - nicht einmal drei Prozentpunkte vor Le Pen, konnte in der Stichwahl aber zwei Drittel der Stimmen für sich verbuchen.
Die Bereitschaft, aus Prinzip gegen Rechts und damit Le Pen von der Partei Rassemblement National zu stimmen, schrumpft jedoch. In der Wählerschaft herrscht Unzufriedenheit nach einer turbulenten und krisengeprägten Amtszeit Macrons und seiner Partei La République en Marche. Gerade Linke fühlen sich durch Macrons zunehmenden Rechtskurs vor den Kopf gestoßen und sind genervt, dass eine Wahlalternative zu seiner wirtschaftsliberalen Politik fehlt.
Anhänger des linken Kandidaten Jean-Luc Mélenchon, der in der ersten Wahlrunde als Drittplatzierter ausschied, hadern deshalb, wie sie sich bei der Stichwahl verhalten sollen. Die klassischen Volksparteien, die Sozialisten und Republikaner, waren mit ihren Kandidatinnen krachend gescheitert und können Macron nur begrenzt zum Wahlsieg verhelfen.
Die Wahlbeteiligung (ohne Überseegebiete und Auslandsstimmen) war bis mittags niedriger als bei der Stichwahl vor fünf Jahren. Die Wahlbeteiligung betrug um 17 Uhr laut Innenministerium 63,23 Prozent - knapp zwei Prozentpunkte weniger als zum gleichen Zeitpunkt bei der Stichwahl 2017. Die Wahlbeteiligung war zudem fast zwei Punkte niedriger als in der ersten Wahlrunde am 10. April.
Warum ist die Wahl relevant?
Frankreich ist in Europa ein politisches Schwergewicht. Die Entscheidung wird daher auch in anderen Staaten mit Spannung erwartet, da sie als wegweisend für die künftige politische Ausrichtung Frankreichs gilt. Das Staatsoberhaupt bestimmt maßgeblich die Politik des Landes.
Obwohl der französische Staatschef sehr viel Macht hat, schrumpft sein Einfluss allerdings ohne eine Parlamentsmehrheit zusammen. Daher kommt auch den Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni eine große Bedeutung zu. Ohne Mehrheit in der Assemblée Nationale wäre der Präsident gezwungen, eine Regierung aus Politikern eines anderen politischen Lagers zu ernennen. Der Premierminister wird dann deutlich wichtiger. Es könnte sogar eine politische Blockade des Landes drohen.
Wie wird gewählt?
Die Wahl zum Präsidenten ist in Frankreich eine Direktwahl, die Wahlberechtigten können sich also unmittelbar für einen Kandidaten oder eine Kandidatin entscheiden.
Französische Wähler machen keine Kreuzchen auf mehr oder weniger langen Listen. Im Wahllokal bekommen sie einen kleinen blauen Umschlag. Dann nehmen sie von einem Tisch einzelne Papierzettel mit den Namen der Kandidaten. Um das Wahlgeheimnis zu wahren, nehmen sich die Wähler von mehreren, beziehungsweise bei der Stichwahl von beiden Stapeln, einen Zettel, gehen in die Wahlkabine und stecken den ihres Kandidaten gefaltet in den Umschlag. Die nicht verwendeten Zettel werden weggeworfen. Der Umschlag kommt in eine Urne aus Plexiglas.
Eine Briefwahl ist in Frankreich nicht möglich. Wähler können sich aber von einer Vertrauensperson vertreten lassen, die sie vorher auf einer Polizeiwache anmelden müssen. Der Bevollmächtigte muss die Stimme allerdings im örtlichen Wahllokal des Wahlberechtigten abgeben, den er vertritt.
Bis die letzten Wahllokale in den Großstädten um 20 Uhr schließen, dürfen keine Nachwahlbefragungen und Hochrechnungen veröffentlicht werden. Da dann aber schon viele Stimmen aus jenen Wahllokalen ausgezählt sind, die um 19 Uhr schließen, gibt es um Punkt 20 Uhr eine relativ aussagekräftige Hochrechnung. In der ersten Runde gab es bis zum offiziellen Ergebnis am nächsten Tag gegen Mittag nur geringe Verschiebungen. Wegen der Zeitverschiebung wurde in manchen Überseegebieten und in einigen Auslandsvertretungen bereits am Samstag abgestimmt.
ust/ww (dpa, afp, interieur.gouv.fr)