Frankreich sucht Hilfe der EU-Partner
17. November 2015"Es war ein außergewöhnlich emotionales Treffen, bei den Verteidigungsministern geht es normalerweise nicht so zu", berichtete die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nach der ersten Sitzung am Morgen in Brüssel. Der Grund dafür ist klar: Sie nennt die Terroranschläge von Paris einen "Angriff gegen die Wurzeln unserer Zivilisation", und fügt hinzu, dass Europa von allen Nachbarn - auch in den arabischen Ländern - Unterstützung bei der Bekämpfung des Terrorismus erwarte. "Es war ein sehr trauriger Tag für Frankreich und für ganz Europa. Aber wir werden zeigen, dass wir zusammenstehen."
Gemeinsamkeit in ungewöhnlicher Form
Wie die Europäische Union aber an diesem Punkt ihre Solidarität ausdrückt, ist auch für langjährige Beobachter verblüffend: Frankreich hat den weitgehend unbekannten Artikel 42.7 der EU-Verträge ausgegraben, um die Hilfe der europäischen Partner einzufordern. Die Außenbeauftragte trägt ihn sogar den Journalisten vor, denn sie gehe davon aus, "dass keiner diese Regelung kennt": Wenn ein Mitgliedsstaat Opfer eines bewaffneten Angriffs auf sein Staatsgebiet geworden ist, dann müssen die anderen Mitgliedsstaaten ihm Hilfe und Unterstützung entsprechend Artikel 51 der UN Charta gewähren.
Das bedeute nicht, dass dadurch eine gemeinsame Militärmission der EU ausgelöst werde, sondern es gehe um bilaterale Hilfe. Viele Mitgliedsstaaten hätten Frankreich darauf Unterstützung angeboten, sei es materiell oder auf anderen Gebieten, um französische Kräfte zu entlasten.
Was wollen die Franzosen wirklich von den Partnern?
Verteidigungsminister Yves Le Drian macht dann schon etwas klarer, was Frankreich in seiner schweren Stunde von den Partnern will. Aber auch er spricht zunächst über das warme Mitgefühl, das seine Kollegen ihm und seinem Land entgegengebracht hätten: "Einige haben das sogar auf Französisch getan", so Le Drian - eine besondere Art der Zuwendung von der meist in Englisch kommunizierenden Ministerrunde. Aber was will seine Regierung konkret? Offenbar mehr als bessere Kommunikation der Geheimdienste oder personelle Unterstützung im Sicherheitsbereich.
"Frankreich kann nicht alles allein machen", sagt Le Drian. Es könnte also darum gehen, militärische Hilfe bei den französischen Einsätzen in Syrien, im Irak oder bei anderen Operationen zu leisten. Darüber hinaus nannte er ausdrücklich das Engagement in der Sahelregion, in der Zentralafrikanischen Republik, im Libanon. Man solle feststellen, was die EU gemeinsam machen könne, und alle hätten dies versprochen, so Le Drian, ob nun im Mittleren Osten oder anderswo. "Alle werden mitmachen, und zwar schnell, sonst nützt es nichts."
Frankreich ist durch eine Vielzahl militärischer Einsätze in verschiedenen afrikanischen und nahöstlichen Staaten an der Grenze seiner Leistungskraft. Und 3000 Soldaten wurden jetzt noch zusätzlich für den Landesschutz im Inneren zur Bewachung öffentlicher Plätze und Einrichtungen eingesetzt.
Warum nicht die Hilfe der Nato?
"Es ist vor allem ein politisches Statement", erklärt Federica Mogherini auf die Frage, warum Paris nicht gleich die Nato-Beistandsklausel angerufen habe, wie es die USA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 getan hatten. "Die gemeinsame europäische Verteidigung ist etwas, das wir haben, und sie kann aktiviert werden."
Der französischen Regierung geht es wohl auch, aber nicht nur um militärische Hilfe. Was die Art der Unterstützung angeht, so sei das eine Frage bilateraler Vereinbarungen und technischer Diskussionen zwischen den Partnern, erläutert die Außenbeauftragte. Dabei werde auf die unterschiedliche Verteidigungspolitik der Mitgliedsländer und deren Fähigkeiten Rücksicht genommen.
Das bedeutet, dass es auch für Deutschland Aufgaben geben kann, obwohl Berlin bislang jede militärische Beteiligung in Nahost abgelehnt hat. Auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat ihrem französischen Amtskollegen Unterstützung zugesagt und angeboten, Frankreich in Mali zu entlasten. Die Franzosen hätten sich darüber hinaus auch sehr für deutsche Erfahrungen beim Einsatz kurdischer Kämpfer interessiert.