Frankreich warnt Bürger vor neuen Anschlägen
30. Oktober 2020Nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag in Nizza mit drei Toten hat Frankreich seine Bürger weltweit vor Anschlägen gewarnt: "Die Bedrohung ist überall", sagte Außenminister Jean-Yves Le Drian nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts unter Leitung von Präsident Emmanuel Macron.
"Der Schritt vom virtuellen Hass zur echten Gewalt ist klein", sagte Le Drian. Paris habe die diplomatischen Vertretungen im Ausland angewiesen, die Sicherheitsvorkehrungen zu verstärken. Im Inland will Frankreich insbesondere Schulen und Kirchen besser schützen, wie Verteidigungsministerin Florence Parly nach der Krisensitzung sagte. Dafür werden nach Angaben des Innenministeriums 3500 Reservepolizisten mobilisiert. Allein 120 zusätzliche Polizisten sollen in Nizza patrouillieren.
Präsident Macron hatte zuvor bereits angekündigt, dass die Anti-Terror-Einheit der Armee von 3000 auf 7000 Kräfte aufgestockt wird. In ganz Frankreich gilt seit dem Messerangriff am Donnerstag in Nizza die höchste Terrorwarnstufe.
Dritte Festnahme
Unterdessen nahm die Polizei zwei weitere Verdächtige fest. Ein 35-Jähriger sei wegen möglicher Verbindungen zu dem tatverdächtigen Angreifer in Polizeigewahrsam genommen worden, verlautete aus Justizkreisen. Er soll am Tag vor dem Anschlag Kontakt zu dem mutmaßlichen Täter Brahim Issaoui gehabt haben. Zu der anderen Person wurde nichts bekannt. Am Freitagmorgen hatten Ermittler bereits die Festnahme eines 47-Jährigen bekanntgegeben, der ebenfalls verdächtigt wurde, kurz vor der Tat mit dem Angreifer in Kontakt gestanden zu haben.
Dem Anschlag vorausgegangen waren massive Drohungen und Proteste gegen Frankreich in muslimischen Ländern. Erst am Donnerstag hatte es der frühere malaysische Regierungschef Mahathir Mohamad als legitim bezeichnet, "Millionen von Franzosen zu töten". Er begründete dies mit französischen "Massakern" der Kolonialzeit. Auf Druck der Pariser Regierung löschte Twitter die Kurzbotschaften Mohamads.
Bangladesch
Derweil halten die Proteste in muslimisch dominierten Staaten gegen Macron an. Zehntausende Menschen demonstrierten in mehreren Städten Bangladeschs, einige verbrannten Bilder des französischen Staatschefs, um ihre Empörung über Macrons Verteidigung von Mohammed-Karikaturen auszudrücken. Nach Angaben der Polizei nahmen allein 12.000 Menschen an Protesten in der Hauptstadt Dhaka teil; unabhängige Beobachter sowie die Organisatoren sprachen von 40.000 Teilnehmern.
Pakistan
In der pakistanischen Hauptstadt Islamabad gingen rund 2000 Menschen auf die Straße und marschierten auf die französische Botschaft zu. Barrikaden hielten die Menschen davon ab, ihr Ziel zu erreichen. Einige Teilnehmer warfen Steine auf Polizisten, diese setzten Tränengas gegen die Demonstranten ein. Die Menschenmenge rief "Vertreibt den französischen Hund" und "enthauptet den Gotteslästerer". In Karachi zogen 10.000 Menschen nach dem Freitagsgebet anlässlich des Geburtstages des Propheten Mohammed durch die Stadt. Auch dieser Protest war geprägt von Wut über den französischen Präsidenten.
Ministerpräsident Imran Khan hatte zuvor die Regierungen der muslimischen Länder zu einem geschlossenen Kampf gegen "Islamfeindlichkeit" aufgerufen und eine "Schändung des Heiligen Korans" in europäischen Ländern beklagt.
Afghanistan
Proteste fanden auch im benachbarten Afghanistan statt. In der Hauptstadt Kabul seien es 2000 Demonstranten gewesen, berichteten Beobachter. Die Protestierenden forderten demnach den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Paris und riefen zu einem Boykott französischer Waren auf. Auch in der westlichen Provinz Herat demonstrierten Tausende.
Palästinenser
Zu Kundgebungen versammelten sich ebenso Tausende Palästinenser. Viele kamen auf dem Tempelberg in Jerusalems Altstadt zusammen, einer der heiligsten Stätten des Islam. Ikrima Sabri, Leiter des Höchsten Islamischen Rats der Palästinenser, hatte zu einem "Tag des Zorns" aufgerufen. Auch im Gazastreifen hatte die dort herrschende Hamas Veranstaltungen mit hunderten
Teilnehmern organisiert. Vor Demonstranten im Flüchtingslager Dschebalia rief Hamas-Führer Fathi Hammad: "Die Schmähung unseres Propheten Mohammed durch Frankreich verletzt den Glauben von zwei Milliarden Muslimen auf der Welt."
Auslöser der Spannungen waren Macrons Aussagen zur Verteidigung der Meinungsfreiheit nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag auf einen Lehrer bei Paris, der Mohammed-Karikaturen in seinem Unterricht gezeigt hatte. Der Präsident betonte, dass Frankreich "Karikaturen und Zeichnungen nicht aufgeben" werde.
sti/uh (afp, dpa, rtr)