Frankreichs Hinterhof brennt - Der Konflikt in der Elfenbeinküste
10. November 2004Regierungstruppen hatten zunächst die Rebellenhochburg Bouaké, im Norden des Landes, angegriffen. Am Wochenende (7./8. Nov.) starben neun französische Soldaten durch einen Hubschrauberangriff. Frankreich schickte Truppenverstärkung und besetzte die Flughäfen. In der Wirtschaftsmetropole Abidjan, im Süden des Landes, demonstrierten bewaffnete Regierungsanhänger gegen die Franzosen. Straßenkämpfe, brennende Häuser, mehr als 400 Verletzte und zahlreiche Tote - in der west-afrikanischen Republik Elfenbeinküste herrschen seit Tagen chaotische Zustände. Eine Eskalation der Gewalt, bei der es nur vordergründig darum geht, dass die Regierung unter Präsident Laurent Gbagbo spontan ihre Macht erweitern will. "Wichtig sind die dahinter liegenden Konfliktlinien", erklärt Andreas Mehler, Direktor des Instituts für Afrika-Kunde in Hamburg. "Es geht hier durchaus auch um die Unterschiede zwischen Nord und Süd, aber auch um die beiden Religionen Islam und Christentum. Es geht um Ivorer zweiter Klasse, die aus dem Norden stammen und den Ivorern erster Klasse aus dem Süden."
Keine "reine" Abstammung
Für afrikanische Verhältnisse galt die Elfenbeinküste lange Zeit als wirtschaftlich wohlhabend und politisch geeint. Doch spätestens seit den Präsidentschaftswahlen vor vier Jahren, als der aus dem Norden stammende Kandidat Alassane Ouattar unter fadenscheinigen Gründen ausgeschlossen wurde, ist die Gesellschaft gespalten. Die angeblich nicht "rein" ivorische Abstammung genügte, um den populären Politiker aus dem Norden von der Wahl auszuschließen - trotz wütender Proteste Ouattaras, dessen Eltern und Großeltern gebürtige Ivorer sind.
Sieger der Präsidentschaftswahlen wurde der damalige Oppositionsführer Laurent Gbagbo, der aus dem christlich geprägten Süden des Landes stammt. Doch auch er konnte die Situation nach seiner Wahl nicht beruhigen. Im Gegenteil: Anhänger von Gbagbo und Ouattara lieferten sich heftige Straßenkämpfe - ein Putschversuch scheiterte. Erst als die ivorische Staatsangehörigkeit von Ouattara offiziell anerkannt wurde, entspannte sich die Lage zumindest oberflächlich.
Nord-Süd-Konkurrenzkampf
Doch seit zwei Jahren ist der Staat de facto geteilt: in einen von verschiedenen Rebellen-Bewegungen kontrollierten Norden und in einen regierungstreuen Süden. Beide Parteien kämpfen um die politische und die wirtschaftliche Macht im Land. Die Vermittler-Rolle haben die Franzosen als ehemalige Kolonialmacht übernommen.
Mit mehreren Tausend Soldaten ist Frankreich auch vierzig Jahre nach der Unabhängigkeit der Elfenbeinküste immer noch der wichtigste Machtfaktor im Land. Auf französischen Druck einigten sich die verfeindeten Parteien Anfang 2003 im Abkommen von Marcoussis auf eine "Regierung der nationalen Versöhnung" mit einem Nord-Ivorer als Premierminister. Doch bereits wenige Wochen nach Marcoussis stoppten die Rebellen die vereinbarte Waffenabgabe und beendeten die Zusammenarbeit mit der Regierung. Die seitdem erhobenen Forderungen nach Neuwahlen lassen Präsident Laurent Gbagbo bislang indes kalt. Sein Mandat gilt noch bis zum nächsten Jahr.
Franzosen als Feindbild
Anfang dieses Jahres schaltete sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in den Konflikt ein. Seitdem überwachen rund 10.000 Soldaten den Waffenstillstand - knapp die Hälfte davon aus Frankreich. Mit einer Pufferzone in der Mitte des Landes versuchen die Blauhelm-Soldaten Rebellen- und Regierungstruppen zu trennen. Mit mäßigem Erfolg, wie die nun wieder aufgeflammten Unruhen zeigen. Die Franzosen dienen dabei längst als Feindbild für beide Seiten, sie glauben, dass Frankreich das Land wieder kolonisieren will. Frankreich wird als Kolonialmacht wahrgenommen und nicht als unabhängiger Friedensstifter. Die Rebellen werfen den Franzosen vor, die Regierung zu schützen. Die Regierung unter Laurent Gbagbo wiederum beschuldigt die Franzosen, auf der Seite der Rebellen zu stehen und den Rücktritt Gbagbos erzwingen zu wollen. Die Afrikanische Union hat sich deshalb nach einem anderen Vermittler umgesehen: der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki soll nun die Wogen in der westafrikanischen Küstenrepublik glätten.