Macron will Präsident aller Franzosen sein
8. Mai 2017Der Wahlsieger ließ seine Anhänger, die sich am Louvre in Paris versammelt hatten, lange warten. Erst knapp drei Stunden nachdem feststand, dass Emmanuel Macron der nächste Präsident der Franzosen wird, trat er unter frenetischem Jubel auf die Bühne. Zur Europahymne und nicht etwa zur französischen Nationalhymne schritt Macron ganz alleine an der royalen Fassade des Louvre vorbei zu seinem Rednerpult. Er sah ein rot-weiß-blaues Farbenmeer. 5000 Anhänger schwenkten die von Macrons Bewegung "En Marche!" ausgegebenen Fähnchen. "Danke, meine Freunde!", waren seine erste Worte.
Macron, der mit 66 Prozent mehr Stimmen bekam, als die Umfragen vorausgesagt hatten, war überglücklich. Er triumphierte allerdings in seiner Ansprache nicht über seine Gegnerin Marine Le Pen, die mit 34 Prozent schlechter abschnitt als erwartet. Der gewählte Präsident kündigte an, er wolle auf Franzosen zugehen, egal ob sie links oder rechts gewählt hätten. "In den nächsten fünf Jahren werde ich zeigen, dass es keinen Grund für euch gibt, die Extreme zu wählen." Auch die vielen Enttäuschten, die den rechtspopulistischen Front National gewählt haben, will Emmanuel Macron einbinden. "Es ist meine Verantwortung sie alle an Bord zu holen. Ich kenne ihren Ärger und ihre Furcht", sagte Macron in seiner im Fernsehen übertragenen Rede.
Macron will das Land wieder einen
Die Anhänger waren erleichtert, dass der harte Wahlkampf, der das Land gespalten hat, nun endlich vorbei ist. François, ein Angestellter aus Paris, geht davon aus, dass Macron Frankreich wieder einen kann. "Er wird das hinbekommen. Ich traue ihm das als Einzigem zu." Der Politik-Experte Vivien Pertusot vom Französischen Insititut für internationale Beziehungen beschreibt die Aufgabe, die vor dem neuen Präsidenten liegt so: "In Frankreich haben sie heute wirklich zwei Gesellschaften. Die großen Städte sind für etablierte Kandidaten wie Emmanuel Macron. In den ländlichen Gegenden und kleineren Städten wurde dagegen Le Pen oder auch der kommunisitische Kandidat Mélenchon gewählt. Das sind die Gegenden, wo gut bezahlte Arbeit schwer zu finden ist. Sie sind schlechter zu erreichen und angebunden. Es gibt nicht die gleichen Waren und den gleichen Luxus wie in den Städten. Die Menschen dort fühlen sich vergessen oder zurückgelassen." Emmanuel Macron war sich am Abend seines Sieges durchaus der schwierigen Aufgabe bewusst. Er sagte am Louvre, jetzt sei nur Frankreich wichtig, nicht mehr die politische Auseinandersetzung. "Europa und die Welt schauen auf uns", rief Macron seinen Anhängern zu. "Sie erwarten, dass wir den französischen Geist der Freiheit verteidigen."
Le Pen gibt klein bei
Mit 66 Prozent Stimmenanteil hat Macron die Rechtspopulisten deutlich in ihre Schranken verwiesen. Die Wahlbeteiligung war geringer als bei der letzten Wahl vor fünf Jahren. Der Anteil der weißen Stimmkarten, die Protest gegen das politische System ausdrücken, war mit fast zwöf Prozent so hoch wie seit 50 Jahren nicht mehr.
"Die französische Gesellschaft ist völlig polarisiert und macht einen konfusen Eindruck", meint dazu der Experte Pertusot. Der Erfolg Macrons sei vor allem darauf zurückzuführen, dass es keine Kandidaten etablierter Parteien in der Mitte mehr gegeben habe. "Außer ihm gab es eigentlich nur Extreme. Das bedeutet aber auch, dass die Wähler, die ihn jetzt gewählt haben, nicht wirklich zu 100 Prozent hinter seinem Programm stehen." Vor den Wahllokalen hatten tagsüber viele Wähler gesagt, sie wählten mit Macron das kleinere Übel, um die Rechtspopulistin Marine Le Pen zu verhindern. Le Pen, die mit dem Einzug in die Stichwahl, ihren größten politischen Erfolg erzielt hatte, gestand die Niederlage schnell ein. Sie sagte, Frankreich habe sich mit Macron für die Fortsetzung der alten Zustände entschieden. Sie kündigte an, den rechten Front National zu einer breiten Bewegung ausbauen zu wollen, um in Zukunft Mehrheiten zu erreichen. Der Name der Partei, die vom rechtsradikalen Vater Jean-Marie Le Pen gegründet worden war, solle geändert werden.
Europa könnte profitieren
In der Menge singt am Schluss der Kundgebung am Louvre Thomas, ein junger Student, die Marseillaise aus vollem Halse mit. Er findet in dem jüngsten Präsidenten, den Frankreich je gewählt hat, Hoffnung. "Er ist auch gut für Europa und die Europäische Union. Er wird auch die Gemeinschaft voranbringen", freut sich Thomas. In der Tat war Macron der einzige Kandidat im ganzen Wahlkampf, der sich für die Europäische Union stark gemacht hat. Noch vor seinem Auftritt am Louvre hatte der gewählte Präsident mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel telefoniert. Er wolle sie bald besuchen, hatte er ihr versichert. Der Frankreich-Experte Vivien Pertusot hofft im Gespräch mit der DW, dass die deutsch-französischen Beziehungen unter Macron einen neuen Schub bekommen."Wenn man sich die Geschichte des Europäischen Projektes anschaut, dann sieht man, dass es immer dann stark war, wenn die deutsch-französische Zusammenarbeit funktionierte. Im Moment fühlt man in Deutschland, dass Frankreich kein ebenbürtiger Partner ist." Frankreich, so Pertusot, müsse jetzt lange versäumte Reformen nachholen, um wirtschaftlich stärker zu werden. Die linken Gewerkschaften haben bereits am Abend ihren Widerstand gegen die ambitionierten Reformpläne Macrons angekündigt.
Macron muss Mehrheit im Parlament finden
Die nächste politische Hürde werden für den jungen Präsidenten die Parlamentswahlen im Juni sein. Ohne eine echte Partei im Rücken will er mit seiner Sammlungsbewegung möglichst viele Abgeordnete stellen. Eine eigene Mehrheit wird er kaum erreichen können, glauben die Kommentatoren in den französischen Fernsehsendern am Wahlabend. Er wird Kompromisse mit Sozialisten und Konservativen machen müssen, meint auch Politik-Experte Vivien Pertusot. "Die Mehrheit der Sitze werden die alten Parteien bekommen. Insofern sind wir hier in völlig unbekannten Gewässern." Der Anführer der radikalen Linken, Jean-Luc Mélenchon, hat vorsorglich den neuen Stil von Emmanuel Macron als "könglich" veralbert. Die Linken sollten auf jeden Fall bei der Parlamentswahl gegen Macron arbeiten, empfahl der Drittplazierte der Präsidentenwahl in der ersten Runde.