Frankreichs Regierung tritt zurück
3. Juli 2020Die französische Regierung unter Premierminister Édouard Philippe ist komplett zurückgetreten. Das teilte der Präsidentenpalast in Paris mit. Philippe habe bei Präsident Emmanuel Macron den Rücktritt eingereicht, dieser habe ihn angenommen. Der Schritt wurde erwartet, da Macron nach dem Debakel seines Lagers bei den Kommunalwahlen seine Politik neu ausrichten will. Dafür soll die Regierung umgestaltet werden. Aus Macrons Umfeld hieß es, Philippe werde nicht der neuen Regierung angehören.
Philippe führt die Mitte-Regierung seit Mai 2017
In einem Interview mit mehreren Regionalzeitungen hatte Macron zuvor erklärt, er wolle mit einem "neuen Team" einen "neuen Weg" einschlagen. Das umgebaute Kabinett werde "neue Talente" und "Persönlichkeiten mit unterschiedlichem Hintergrund" vereinen. Der Staatspräsident äußerte sich nicht dazu, ob der populäre Ex-Premierminister Philippe der neuen Regierung angehören werde, lobte aber das "einzigartige Vertrauensverhältnis" zu dem 49-Jährigen. Der bürgerliche Premier habe in den vergangenen drei Jahren "bemerkenswerte Arbeit" geleistet. "Wir haben wichtige historische Reformen durchgeführt, oft unter sehr schwierigen Umständen", betonte Macron. Philippe führt die Mitte-Regierung seit Mai 2017. Der ursprünglich aus dem Lager der bürgerlichen Rechten stammende Politiker hatte die Stichwahl in der nordfranzösischen Hafenstadt Le Havre für sich entschieden.
Nach einer Umfrage des Instituts Elabe Berger Levrault will mehr als die Hälfte der Franzosen Philippe weiterhin als Regierungschef sehen. Allerdings gilt als ungewiss, ob Philippe, der eine Vergangenheit als Lobbyist bei einem Atomkonzern hat, einen politischen Richtungswechsel Macrons mit stärkeren sozialen und ökologischen Akzenten mittragen würde.
"Grüne Welle" in Großstädten
Macron war nach der Endrunde der Kommunalwahlen vom Sonntag erheblich unter Druck geraten, da sich seine Partei La Republique en Marche bis auf wenige Ausnahmen nicht in großen Städten durchsetzen konnte. Stattdessen gab es eine "grüne Welle" - Grüne und ihre Verbündeten eroberten große Städte wie Lyon, Straßburg oder Bordeaux. In der südwestfranzösischen Stadt Perpignan setzte sich ein Kandidat der Rechtsaußenpartei Rassemblement National (RN - früher Front National) durch.
Macron äußerte sich in dem Interview nicht im Detail zu den Wahlen und sagte, er wolle mit den Bürgermeistern zusammenarbeiten. Beobachter erwarten, dass der 42-Jährige die Regierungsumbildung bis Mitte kommender Woche abschließen wird. Macron machte deutlich, dass er seine Politik angesichts der coronabedingten Wirtschaftskrise sozialer ausrichten wolle. Es gehe um das Ankurbeln der Wirtschaft, die Erneuerung des sozialen Schutzes und die Umwelt.
Der Präsident sprach von einer "Ohrfeige" für seine Partei La République en Marche. Selbstkritisch räumte der einstige Senkrechtstarter ein, er habe manchmal den Eindruck vermittelt, "Reformen gegen die Leute" machen zu wollen. Wegen der geplanten Rentenreform hatte es im Winter Streiks und Massenproteste gegeben.
kle/pg/mak (dpa, afp)