Beckenbauer - Porträt
11. September 2010Diese Szene aus dem Mai 1994 vermag das Phänomen Franz Beckenbauer wohl am besten zu beschreiben: Gerade hatte er, als Trainer für den glücklosen Erich Ribbeck eingesprungen, seinen FC Bayern zur Meisterschaft geführt. Nach dem letzten Spiel folgte der übliche Auftritt im ZDF-Sportstudio. Einer der Höhepunkte dort: Das Torwandschießen, eine Spezialität Beckenbauers. Doch die Fernsehleute hatten sich für diesen Abend etwas Besonderes ausgedacht. Der "Kaiser" sollte den Ball nicht vom Boden aus schießen, sondern von einem vollen Weißbierglas. Der Moderator hielt das Glas, Beckenbauer nahm Anlauf in seinen schwarzen Halbschuhen – und schob den Ball zielsicher in das kleine Loch in der Wand, das schon so viele unter normalen Umständen zur Verzweiflung gebracht hatte. So ist Franz Beckenbauer. Was er anpackt, das gelingt ihm auch.
Franz, der lauffaule Titelsammler
Als Spieler war er Deutscher Meister, Pokalsieger, Europapokalsieger, Weltpokalsieger, Europameister 1972, Weltmeister 1974. Er galt als Erfinder der Libero-Position, als einer der besten Fußballer, die Deutschland je hervorgebracht hatte. Auch wenn es manchmal pomadig wirkte, wie er spielte: "Es war damals so", erinnert er sich, "da musstest du hinterherrennen. Am besten noch mit dem Ball über die Auslinie. Aber das war nicht in meinem Repertoire." Seine Stationen als Profi: FC Bayern, New York Cosmos, Hamburger SV und noch mal New York.
Spieler, Trainer, Funktionär - immer mit maximalem Erfolg
Gleich nach dem Ende seiner aktiven Karriere war der Posten des Nationaltrainers vakant. Beckenbauer hatte eigentlich gar keine entsprechende Ausbildung, durfte sich deshalb nicht "Bundestrainer", sondern nur Teamchef nennen, aber klar – der Erfolg ließ auch hier nicht lange auf sich warten. "Geht´s raus und spielt´s Fußball", soll er seiner Elf vor dem WM-Finale 1990 gegen Argentinien gesagt haben, mehr nicht. Und sie spielten – und gewannen 1:0. Um die Welt gingen die Bilder, wie er nach dem Schlusspfiff alleine im Mittelkreis stand. "Es war für mich auch bewegend. Ich wollte meine Ruhe haben, ich wollte abschließen." Danach dankte der "Kaiser" ab, und machte bei seiner Amtsübergabe auf Berti Vogts einen seiner wenige Fehler. Im Überschwang schwärmte er von einer Mannschaft, die auf Jahre unschlagbar sei. Damit hatte er Vogts eine schwere Last mit auf den Weg gegeben, die der nie stemmen konnte.
Die WM 2006 als (vorläufig) letzter Höhepunkt
Ein kurzes Trainer-Gastspiel bei Olympique Marseille endete mit der Final-Niederlage im Landesmeisterpokal gegen Belgrad, dann ging der gebürtige Münchener zurück zu seinem FC Bayern, dem er zuvor schon von 1958 bis 1977 als Spieler die Treue gehalten hatte. Erst war er Vizepräsident, von 1994 bis 2009 stand er an der Spitze des Vereins.
So richtig schien ihn diese Rolle aber nicht auszufüllen. Denn in dieser Zeit zeugte Beckenbauer seine Kinder fünf und sechs und holte ganz nebenbei noch die Weltmeisterschaft 2006 ins Land. Am 6. Juli des Jahres 2000 verkündete FIFA-Präsident Sepp Blatter: "The winner is Deutschland."
Der Weltbürger
Wer sonst außer Beckenbauer hätte dieses Kunststück schaffen sollen? Und wer außer ihm hätte so souverän an der Spitze des Organisationskomitees stehen können? Vier Wochen lang sah man Franz Beckenbauer aus Hubschraubern steigen, Hände schütteln, Reden halten, Staatsoberhäupter betreuen. Aus dem Münchener Arbeiterviertel Giesing hatte er es schon längst in die internationale Society geschafft, ist vielleicht sogar der bekannteste Deutsche geworden. Dabei hat er selbst gar keine solchen Ansprüche. "Ich hoffe, dass die Leute dann meinen, er hat seine Aufgabe ganz gut gemacht, und letztlich ist es ihm sogar gelungen, ein guter Mensch zu werden", sagte er einmal, angesprochen auf den Sinn des Lebens.
Verwunderlich nur, dass noch kein Politiker auf die Idee gekommen ist, Franz Beckenbauer für das Amt des Bundespräsidenten vorzuschlagen. Kein Zweifel. Er würde auch das hinbekommen. Und zwar mit Bravour.
Autor: Tobias Oelmaier
Redaktion: Arnulf Boettcher