Frauen im Parlament: Ruanda überholt Schweden
8. März 2017An der Spitze liegt nicht etwa ein skandinavisches Land, sondern Ruanda. Das ostafrikanische Land führt das Ranking der Länder mit 61,3 Prozent Frauenanteil in nationalen Parlamenten an. Somit hat Ruanda das einstige Emanzipations-Musterland Schweden längst an der Spitze verdrängt. Schweden ist in der Statistik der Interparlamentarischen Union (IPU) auf Platz sechs gerutscht.
Unter den Top Five befindet sich aktuell nur noch Island als europäisches Land - mit 47,6 Prozent auf Platz vier. Politisch viel zu sagen haben Frauen ansonsten in Bolivien (Platz 2 mit 53,1 Prozent), in Kuba (Platz 3 mit 48,9 Prozent) und Nicaragua (Platz fünf mit 45,7 Prozent).
Die IPU dokumentiert seit Jahren, wie groß der Frauenanteil in nationalen Parlamenten weltweit ist. 193 Staaten werden dazu regelmäßig daraufhin ausgewertet, wie viele Sitze an Frauen vergeben werden. 23,4 Prozent beträgt der Frauenanteil insgesamt in Parlamenten weltweit - danach ist etwa jedes vierte Parlamentsmitglied eine Frau.
Paradebeispiel Ruanda
Wie kommt es nun, dass ausgerechnet Ruanda so einen hohen Frauenanteil vorzuweisen hat - und das schon seit Jahren? In Ruanda hat nach dem Genozid 1994 eine umfassende Umstrukturierung in der Politik stattgefunden. Es habe eine starke Frauenbewegung gegeben, sagt IPU-Generalsekretär Martin Chungong im DW-Gespräch. In der Verfassung wurde festgeschrieben, dass Frauen in der Politik mitspielen sollen. Die Quote sieht eigentlich nur 30 Prozent Frauenanteil vor - tatsächlich sind es seit Jahren aber bereits über 60 Prozent. Warum? "Die Mentalität hat sich verändert", sagt Chungong. "Es ist längst nichts Besonderes mehr, dass Frauen wichtige politische Ämter einnehmen."
Neben Ruanda sind unter den zehn höchstplatzierten Ländern noch zwei weitere afrikanische Nationen (Sengal und Südafrika), insgesamt vier lateinamerikanische Länder (Bolivien, Kuba, Nicaragua und Mexiko) und drei nordeuropäische (Island, Schweden und Finnland). Die Erklärung: In vielen afrikanischen Staaten, genauso wie in Lateinamerika, gelten inzwischen verpflichtende Frauenquoten in der Politik. Nicht nur für die Parlamente, sondern auch innerhalb der Parteien - ein Ergebnis der weltweit wachsenden Frauenbewegung.
Deutschland auf Platz 23
Ganz ohne Quote regiert in Deutschland seit über zehn Jahren eine Frau - Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zwar gilt sie als mächtigste Frau der Welt, doch im deutschen Bundestag sind nur etwa ein Drittel der Abgeordneten Frauen: Deutschland rangiert aktuell auf Platz 23 im IPU-Ranking. Deutschland stellt die IPU ein gutes Zeugnis aus. Chungong warnt jedoch: Gerade die gewachsenen Demokratien sollten sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen.
Weit abgeschlagen wirken zum Beispiel die USA, wo Hillary Clinton es knapp verpasst hat, als erste Präsidentin in die Geschichte einzugehen. Die USA sind auf Platz 104. Unter den 435 Parlamentariern gibt es gerade mal 83 Frauen.
Prozentual gesehen stehen die Vereinigten Staaten damit schlechter da als Saudi-Arabien auf Platz 97. Die Erklärung? Keine Quote in den USA, sondern "Survival of the fittest", so IPU-Generalsekretär Chungong. In Saudi-Arabien hingegen hätte es - entgegen der gängigen Klischees - echte Anstrengungen gegeben, auch Frauen in der Politik mitmischen zu lassen. Der Quote sei Dank.
Gar nicht so schlecht: Muslimische Länder
Apropos arabische Länder und traditionell patriarchalisch geprägte Gesellschaften: Auch hier zeigt sich in Sachen Frauenbeteiligung in der Politik ein sehr gemischtes Bild. Schlusslichter bilden zwar einige Golfstaaten wie der Oman oder Katar. Aber die Vereinigten Arabischen Emirate zum Beispiel rangieren auf Platz 94. Dort gebe es, so Chungong, sogar eine weibliche Parlamentspräsidentin. Der Iran rangiert zwar weit hinten auf Platz 177 - aber auch dort wächst der Anteil an Frauen immerhin ein bisschen.
Insgesamt beobachten die Experten von der IPU, dass viel vom politischen Willen in einem Land abhängt. Aber nicht nur: Auch die Art des Wahlrechtssystems spielt eine Rolle. In Staaten, in denen mit proportionaler Repräsentation gewählt wird, haben Frauen größere Chancen, politisch zum Zug zu kommen als beim Mehrheitswahlrecht.
Die IPU setzt zudem auf Nachahmer-Effekte: Wenn Frauen erstmal wichtige politische Ämter erobert haben, fungieren sie auch als Vorbilder für andere Frauen. Die Quote als Eintrittskarte, so die Hoffnung, braucht es dann irgendwann gar nicht mehr.