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Frauen in Europa

Henriette Wrege7. März 2003

Es gibt keine geschlechtsneutrale Politik, sagen unzählige Studien. Die EU will der Ungleichheit zwischen Männern und Frauen seit 1999 mit "Gender Mainstreaming" abhelfen.

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Immer noch gegen den Strom?Bild: Bilderbox

Geschlechterpolitik sollte nicht länger Sache der Frauenkommissarin sein, beschloss die Europäische Union vor vier Jahren. In allen Bereichen und Behörden sollten Entscheidungen und politische Konzepte fortan den Geschlechter-Aspekt berücksichtigen. Umgesetzt wurde dieses Vorhaben zunächst dadurch, dass die Kommissarin für Beschäftigung und Soziales, Anna Diamantopoulou, auch den Bereich Frauen zugesprochen bekam.

Die Griechin zieht eine verhalten positive Bilanz: "Auf europäischer Ebene sind in den letzten Jahren 12 Millionen neue Jobs entstanden. 80 Prozent davon sind an Frauen gegangen. Es ist das erste Mal, dass so viele Frauen in Europa in kurzer Zeit einen Arbeitsplatz gefunden haben. "Dennoch gibt es in allen Mitgliedsstaaten nach wie vor große Probleme. Frauen sind öfter arbeitslos als Männer. Insgesamt sind weniger Frauen erwerbstätig als Männer", erklärt sie. Und: "Wir haben immer noch einen nach Geschlechtern getrennten Arbeitsmarkt, nicht zu vergessen große Unterschiede beim Verdienst."

Gleicher Job, weniger Lohn

Der neueste Bericht zur Situation auf dem europäischen Arbeitsmarkt spricht eine deutliche Sprache. Frauen verdienen durchschnittlich weniger als die männlichen Kollegen. Im Öffentlichen Dienst sind die Unterschiede mit 16 Prozent noch relativ gering. Im privaten Sektor steigt die Differenz auf 24 Prozent, 28 Prozent beträgt der Unterschied in anspruchsvollen Berufen mit guter Ausbildung.

Im Bereich der Führungskräfte ist die Schere am größten. Hier verdienen Männer 34 Prozent mehr als Frauen in der gleichen Position - wenn sie diese überhaupt ergattern können. "Solange Geschlechter-Stereotype und Rollenerwartungen darüber bestimmen, welchen Beruf eine Frau ergreift oder welches Fach sie studiert, solange die soziale Infrastruktur in den meisten Mitgliedsstaaten unzureichend ist, können wir nicht von Chancengleichheit sprechen", konstatiert Diamantopoulou.

Wer betreut die Kinder?

Wissenschaftliche Untersuchungen weisen immer wieder auf einen wichtigen Zusammenhang hin: Wenn Frauen ihre Kinder gut betreut wissen, wenn die Arbeit ausreichend bezahlt ist, wenn sie wegen ihrer Kinder nicht benachteiligt werden, wenn also Mütter Beruf und Familie miteinander vereinbaren können, dann sind die Geburtenraten hoch.

Den Spitzenplatz nimmt Frankreich ein. Eine Französin hat im Durchschnitt zwei Kinder. Ist die Infrastruktur dagegen schlecht, so wie in Deutschland, oder ist Familiengründung Privatsache - wie in den Mittelmeer-Anrainern Spanien und Italien - dann sinkt die Geburtenrate. Zur Zeit liegt sie in Deutschland bei 1,2 Kinder pro Frau - Tendenz fallend. Gerade einmal für 3,8 Prozent der Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren stehen Krippenplätze zur Verfügung.

Die Situation in Griechenland

Anna Diamantopoulou Europäische Union Kommissarin für Beschäftigung und Soziales
Anna Diamantopoulou: Kommissarin der Europäischen Union für Beschäftigung und SozialesBild: AP

Immerhin hat die griechische Regierung die junge Politikerin als EU-Kommissarin nominiert: "Wir brauchen jetzt überall eine große Zahl von Frauen. Es geht nicht mehr nur darum, eine Bürgermeisterin von Athen zu haben, oder neun Prozent Frauen im Parlament und zwei Prozent Frauen in den regionalen Gremien." Echte Gleichberechtigung ist mit Zahlenspielereien nicht zu erreichen. "Die Frage ist, wie schaffen wir es, von den einzelnen Vorführ-Frauen hin zur Beteiligung einer großen Zahl von Frauen in den Entscheidungsgremien zu kommen", so 'Vorzeigefrau' Diamantopoulou.

Damit die griechischen Frauen nicht mehr allein kämpfen müssen, dafür war das Gender Mainstreaming eingeführt worden. Ein Lackmustest dafür, welchen Stand die Gleichberechtigung in Europa hat, ist die Zusammensetzung des Europäischen Konvents. In diesem Gremium wird zur Zeit die Verfassung für das künftige Europa ausgearbeitet. Hier haben die Regierungen und Parlamente der Mitglieds- sowie der Beitrittsstaaten 84 Männer entsandt und gerade einmal 18 Frauen.

Den Ausschluss der Frauen aus dem Konvent konnte auch Anna Diamantopoulou nicht verhindern. Und wenn sie daran denkt, was das für den Stellenwert der Frauenrechte im neuen Europa bedeutet, ahnt sich nichts Gutes: "Die Diskussionen in den Arbeitsgruppen, an denen ich teilnahm, haben den Geschlechteraspekt nicht berücksichtigt. Das Interesse an diesem Thema war sehr, sehr gering. Es zeigt die Realität, es gibt keine Gleichberechtigung in Europa. Es gibt noch viel zu tun."