Frauen und Aids
8. März 200425 Millionen Menschen sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten an Aids gestorben; in afrikanischen Ländern wie Uganda und Botswana ist heute schon fast jeder zweite mit dem Virus infiziert. Ganze Landstriche sind durch die Aids-Epidemie verwüstet. In Afrika steigen die Zahlen der Neuinfizierten vor allem bei kleinen Mädchen und Frauen. Und sie geben die Krankheit meist bei der Geburt der eigenen Kinder weiter.
Das sei ein erschreckendes Resultat gesellschaftlichen Misstands, erklärt Stefanie Ettelt, Pressesprecherin der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung: "Das liegt vor allem daran, dass Frauen schon als junge Mädchen Geschlechtsverkehr haben - in Uganda liegt der Durchschnitt zum Beispiel bei 15 Jahren - und dass diese Mädchen, weil sie arm sind, darauf angewiesen sind, ältere Partner zu haben." Die "Sugar Daddies" kaufen Kleidung und bezahlen Schulgeld für die Mädchen. Diese Abhängigkeit verschafft keine gute Verhandlungsposition, wenn es etwa um die Verwendung von Kondomen geht.
Das schwache Geschlecht
Die Armut und die miserable Stellung der Frau in vielen Gesellschaften führt dazu, dass Frauen auch gegenüber ihrem eigenen Ehemann kaum Rechte einfordern können. Wenn der Mann kein Kondom benutzen möchte, sind die Frauen machtlos - auch wenn sie wissen, dass er außereheliche Kontakte pflegt und sie der Gefahr ausgesetzt sind, sich bei ihm mit Aids zu infizieren.
Verheerend sind auch die Folgen, die durch Vergewaltigungen entstehen. So sollen systematische Vergewaltigungen von Frauen und Kindern nach Angaben von "Human Rights Watch" oder "Medica Mondiale" während des Bürgerkriegs im Kongo als Kriegsmittel eingesetzt worden sein, um den Widerstand in der Zivilbevölkerung zu brechen.
In Südafrika, so Stefanie Ettelt, führe eine völlig falsche Vorstellung unter der Bevölkerung zu einem erschreckenden Missbrauch von Säuglingen und Kindern: "Es gibt in verschiedenen Ländern den Irrglauben, dass sich Männer von der Krankheit reinigen, wenn sie Sex mit jungen Mädchen haben. Und das ist ein fataler Irrglaube der im Fall von Südafrika dazu führt, dass es viele Vergewaltigungen von Mädchen gibt, zum Teil auch von Kindern."
Neue Aspekte
Den Zusammenhang zwischen sozialer Unterdrückung von Frauen und ihren Aids-Erkrankungen hat die Öffentlichkeit bisher kaum wahrgenommen. Aber wenn die Frauen an den Rand der Gesellschaft gedrängt bleiben, werden sie sich auch weiterhin nicht gegen sexuelle Übergriffe wehren können. Dann sind sie nicht nur in Afrika, auch in Asien, Lateinamerika, Osteuropa aber auch in Westeuropa häufig dazu verdammt, ihren Körper zu verkaufen.
Joanne Chatter von der internationalen Nicht-Regierungs-Organisation Human Rights Watch fordert deshalb, dass diesem Thema mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. "Es gibt eine ganz direkte Verbindung zu den Menschenrechtsaspekten, die sehr wichtig ist aber viel zu wenig wahrgenommen wird. Man erkennt zwar den Zusammenhang zwischen Frauen und Aids, aber es gibt kaum Geld für Programme, die die Verfolgung von Vergewaltigern oder Gesetze gegen häusliche und sexuelle Gewalt fordern."
Falsche Moraldiskussionen
Ausgerechnet die Vereinigten Staaten, das reichste Industrieland der Welt, haben unter der Präsidentschaft von George W. Bush einen Vertrag neu aufgelegt, der ursprünglich unter Präsident Reagan eingeführt, von Bill Clinton jedoch abgesetzt wurde: Die so genannte Global Gag Rule.
Diese Regelung besagt, dass amerikanische Gelder nur für solche Projekte fließen dürfen, die in keinster Weise mit dem Thema Abtreibung in Berührung kommen, sagt Joanne Chatter: "Das ist deshalb so wichtig, weil die USA sehr sehr viele Kondome in den Regionen verteilt haben, wo es kaum welche gibt. Für die HIV-Prävention ist das natürlich unheimlich wichtig, aber die Organisationen, die das machten, bekommen wegen der Global Gag Rule jetzt kein Geld mehr."
Auch dass die amerikanische Regierung von Hilfsorganisation fordert, dass sie Frauen vor allem zu sexueller Abstinenz anhalten sollen, kritisieren viele Organisationen. Denn das Problem liegt eben in vielen Fällen in den sozialen und wirtschaftlichen Umständen, in denen die Frauen leben. Deshalb kann Aids nur dann eingedämmt werden, wenn die Beseitigung der Diskriminierung von Frauen stärker auf die Tagesordnung kommt.