19. Türkisches Filmfestival
21. März 2014Der interkulturelle Dialog zwischen Deutschen und Türken ist ein großes Anliegen des kleinen, engagierten Festivals in Nürnberg. Die Veranstaltung sei wichtig, weil sie den Dialog der Kulturen stärkt, hatte Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly zu Beginn des Festivals gesagt. Doch los ging es zunächst einmal mit Protesten. Bei einer Kundgebung erinnerten Demonstranten an den Tod eines vor neun Monaten von der Polizei in Istanbul schwer verletzten Jugendlichen. Auch das gehörte zum Dialog der Kulturen in Nürnberg.
Danach hatten die Filme das Sagen. Gezeigt wurden bereits in den deutschen Kinos angelaufene Filme wie "Zwischen Welten", "Woyzeck" und "Hannas Reise". Bei den türkischen Filmen handelte es sich dagegen fast ausschließlich um deutsche Erstaufführungen. Drei Produktionen, die sich mit dem wandelnden Rollenverständnis der Frau zwischen Tradition und Moderne beschäftigen, stießen auf großes Interesse.
Sexuelle Gewalt
Regisseur Ramin Matin erzählt in seinem leisen, hochspannenden Thriller "Die Makellosen" ("Kusursuzlar") von sexueller Gewalt. Sie nimmt in der Türkei dramatisch zu.
Die Schwestern Lale und Yasemin verbringen ihre Ferien gemeinsam in Izmir. Sie sind moderne, selbstbewusste und attraktive Frauen. Doch herrscht zwischen ihnen eine latente Spannung, die zunimmt, als sie die Bekanntschaft eines Nachbarn machen. Lale wurde schon einmal vergewaltigt und scheut seither Kontakte zu Männern. Yasemin zeigt sich ambivalent zwischen ihrer Wut auf das andere Geschlecht und ungestillten sexuellen Sehnsüchten.
Regisseur Matin verzichtet auf einfache Gut und Böse-Muster, lässt vieles in der Schwebe. Umso eindrucksvoller schafft er es in seinem Film, eine Atmosphäre subtiler Bedrohung zu entfalten.
Konflikte zwischen zwischen den Generationen
Doch nicht nur an dem überholten Rollenverständnis der Männer scheitert die Vereinbarkeit einer unabhängigen, selbstbestimmten Existenz mit einem erfüllten Liebesleben. Nicht selten kommt der Widerstand aus der eigenen Familie, wie in dem Debütfilm "Entwurzelt" ("Köksüz") von Deniz Akḉay Katiksiz.
In diesem Generationendrama vereinnahmt eine depressive Mutter ihre älteste Tochter derart, dass diese sich in ihrer eigenen Persönlichkeit kaum noch entfalten kann. Die berufstätige Feride ernährt die Familie, wohnt mit 32 Jahren noch zu Hause und kümmert sich um alle Belange, mit denen die unselbstständige Mutter überfordert ist. Doch die Last der Verantwortung kann Feride nicht dauerhaft allein schultern. Um ihr zu entgehen, akzeptiert sie schließlich den Heiratsantrag eines Kollegen. Darauf reagiert ihre Mutter allerdings noch weitaus verständnisloser als befürchtet.
Drama einer Zwangsehe
Besonders in ländlichen Gegenden mit ausgeprägten patriarchalischen Strukturen hielten Frauen untereinander kaum zusammen, weiß Regisseur Atalay Tasdiken in Nürnberg zu berichten. Vor allem ältere, ungebildete Frauen hätten sich oft in die Traditionen gefügt. Sie zeigten auch wenig Erbarmen mit jüngen Frauen, die nach einem besseren Leben streben, so Tasdiken.
Nach einer wahren Geschichte erzählt sein Film "Meryem" von einer sich einsam fühlenden, zwangsverheirateten Frau. Schon wenige Tage nach der Hochzeit reist ihr Ehemann nach Istanbul, seither lässt er nichts mehr von sich hören. Zusätzlich unter Druck ihrer Schwiegermutter und der anderen Frauen im Dorf gerät die Bäuerin Meryem, als ihr einstiger Verehrer aus dem Wehrdienst zurückkehrt und sie neuerlich umwirbt.
Schließlich erfährt Meryem, dass ihr Ehemann in Istanbul längst mit einer anderen Frau zusammenwohnt und die Scheidung will. Das schicksalhafte, traurige Ende der auf authentischen Geschehnissen beruhenden Geschichte erspart Tasdiken seiner Heldin. Selbstbewusst tritt diese am Ende des Films die Reise nach Istanbul an, entschlossen, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen.
Türkische Frauen zwischen Tradition und Moderne
Die türkischen Filme geben einen differenzierten Einblick in die vielfältigen Probleme, mit denen moderne Frauen in der Türkei kämpfen. Auf der anderen Seite stimmten sie aber auch optimistisch, weil sie zeigten, dass diese Frauen sich oft nicht unterkriegen lassen. Und mit einer nachwachsenden, jüngeren Generationen schreitet die Emanzipation voran.
Dass die Filme zugleich auch dazu beitragen, auch ältere, Kopftuch tragende Frauen zu sensibilisieren, zeigte sich bei den Publikumsgesprächen in Nürnberg. Viele Zuschauerinnen äußerten sich positiv über die starken weiblichen Filmcharaktere, äußerten Verständnis für deren Nöte.