Frauenpower und Selbstverwirklichung
23. Januar 2017Schon der Titel klingt mysteriös: "Die Nacht der 1000 Stunden". Mit dem dritten langen Film des österreichischen Regisseurs Virgil Widrich wird das 38. Festival "Max Ophüls Preis" (23.1.-29.1.) eröffnet. Und mysteriös ist auch das, was Widrich den Zuschauern in den folgenden 92 Minuten seines Films anbietet.
Es beginnt klassisch: Eine alteingesessene Familie in Wien, die ein Traditionsunternehmen führt und sich nun um die Frage kümmern muss, wie die Firma in die Zukunft geführt werden kann. Zwischen den einzelnen Familienmitgliedern gibt es Streit. Nach ein paar Minuten, der Zuschauer hat sich gerade auf eine konventionell anmutende Familien-Saga eingelassen, geschieht das Unerklärliche. Eine Tante, die gerade noch am Schreibtisch über einem wichtigen Schriftstück zusammengebrochen und verstorben ist, sitzt wenige Minuten später wieder quicklebendig auf dem Sessel.
Eine wilde Tour de Force durch Raum und Zeit
Von da an passieren fast im Minutentakt unerklärliche Dinge auf der Leinwand: Schon lange verstorbene Familienmitglieder werden wieder zum Leben erweckt, vergangene Zeiten wieder lebendig. "Die Nacht der 1000 Stunden" ist eine wilde Tour de Force durch Raum und Zeit, ein surreal verspielter Film, absurd und grotesk - und doch unterhaltsam und vergnüglich.
Der Eröffnungsfilm der 38. Ausgabe des wichtigsten deutschsprachigen Nachwuchsfilmfestivals ist nicht gerade typisch für das, was folgen wird in den kommenden Tagen in Saarbrücken. Aber vielleicht wollten die Veranstalter nur zeigen, was möglich ist im Kino und was aus jungen Regietalenten alles werden kann.
Widrich, Jahrgang 1967, ist ein Tausendsassa der österreichischen Filmszene, Filmemacher und Autor, Multimediakünstler, Ausstellungsmacher und Trickfilmregisseur. Bereits vor 17 Jahren war Widrich mit einem Spielfilm beim Festival in Saarbrücken vertreten. Internationale Meriten erlangte er mit seinem expressionistisch-phantasievollen Kurzfilm "Copy Shop", der 2002 für einen Oscar nominiert war.
Knapp 160 Filme in sechs Tagen
Bis zum Festivalabschluss am 29. Januar haben die Zuschauer in Saarbrücken die Wahl zwischen knapp 160 Filmen. 28 davon konkurrieren in den beiden Sektionen Langspielfilm und Dokumentation um den Löwenanteil der Preisgelder, die in diesem Jahr rund 111.000 Euro betragen. Über die Hälfte dieser Beiträge wurde von Frauen inszeniert, sicher ein Novum in der Geschichte des Festivals.
Die neue Leiterin des Max-Ophüls-Preises Svenja Böttger und Programmkurator Oliver Baumgarten hatten im Vorfeld der traditionsreichen Veranstaltung in der saarländischen Hauptstadt schon auf den hohen Frauenanteil in diesem Jahr hingewiesen. So ist es natürlich kein Zufall, dass sich besonders viele Beiträge mit den Lebenswegen von Frauen auseinandersetzen. Außerdem würden sehr oft Familiengeschichten erzählt. Auch die Themen "Freiheit und Selbstverwirklichung" sowie "Flucht und Vertreibung" fänden sich in gleich mehreren Beiträgen, so die Veranstalter.
Ein Ehrenpreis geht in diesem Jahr an den deutschen Produzenten Peter Rommel, der vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Regisseur Andreas Dresen auch international bekannt wurde und der - auch durch die vielen von ihm produzierten Debütfilme - Stammgast in Saarbrücken ist.
Michael Verhoeven ist Ehrengast in Saarbrücken
Schon Tradition ist es auch, Altmeister des deutschsprachigen Kinos zum Max-Ophüls-Preis einzuladen, um so den Austausch zwischen Jung und Alt zu fördern. In diesem Jahr wird Michael Verhoeven mit einer Hommage geehrt. Verhoeven, der 1967 mit "Paarungen" sein Debüt feierte, wurde in den folgenden Jahren mit Filmen wie "o.k.", "Die weiße Rose" und "Das schreckliche Mädchen" bekannt. Inzwischen ist er 78 Jahre alt. Auch er kommt zum wiederholten Mal ins Saarland, einmal mehr begleitet von seiner Frau Senta Berger.