Unzensierte Suche
11. Juni 2013Es ist eigentlich das Gleiche wie Twitter - nur auf Chinesisch. Die Microblogging-Plattform Sina Weibo hat mehr als 503 Millionen Nutzer, die wiederum schreiben täglich Millionen von Posts über ihr tägliches Leben: Wo sie einkaufen gehen, wie das Wetter ist und mit wem sie gerade zusammen sind.
Das geschieht auch bei Twitter - doch diese Plattform wird in "freien" Ländern von vielen Aktivisten genutzt, um Informationen zu verbreiten, Diskussionen anzustoßen oder Kampagnen zu starten. So etwas ist auf Sina Weibo nicht möglich. Posts, die nicht regierungskonform sind, können von den Zensoren gelöscht werden, bevor sie die breite Masse erreichen. Dies ist ein Teil der so genannten Great Firewall, in Anspielung auf die Chinesische Mauer, die Internetnutzer vom Rest der Welt abschotten möchte.
Free Weibo zeigt, was China nicht zeigen will
In Barcelona sitzen die Macher der Plattform "GreatFire", die die Seite "Free Weibo" entwickelt haben. Die Gruppe beobachtet und zeichnet genau auf, welche Webseiten in China gesperrt sind. So kann die Öffentlichkeit genau verfolgen, welche Inhalte in den Filtern der Zensoren hängen bleiben. Die Entwickler wollten aber noch weiter gehen und diese Informationen auch Nutzern in China zugänglich machen.
"Wir haben ganz schnell gemerkt, dass dieser Fokus nach China selbst viel wichtiger ist", so Charlie Smith, der Free Weibo mit entwickelt hat. "Die Zensur in China kann nur dann überwunden werden, wenn sie auch für die Chinesen selbst sichtbar wird. Es nützt ihnen nichts, wenn es nur der Westen tut."
Free Weibo verschafft nicht nur einen Überblick über das, was bei Sina Weibo passiert. Die Macher haben auch eine Liste bestimmter Keywords zusammengestellt, die automatisch von Sina Weibo geblockt werden. Die Liste wird fortlaufend aktualisiert. Außerdem gibt Free Weibo Tipps, wie man Posts auch so verschlüsseln kann, dass Zensoren sie nicht finden können.
Besonders niederträchtig
Diese Arbeit ist in diesem Jahr von der Jury der Bobs Awards, dem DW-Preis für Onlineaktivismus, in der Kategorie "Best Innovation" ausgezeichnet worden. Bobs-Jury Mitglied Hu Yong sagt dazu: "In China gehört Zensur zur Tagesordnung. Bisher war es so, dass Accounts oder Posts auf Nimmerwiedersehen verschwanden, wenn sie gelöscht worden sind. Jetzt kann man die gelöschten Sachen aber wiederfinden und so herausfinden, warum sie gelöscht wurden. Daraus kann man schließen, wie die Zensoren denken."
Zum Beispiel, dass man nun vermehrt versucht, Nutzer in Fallen oder Sackgassen zu locken. Die Art der Zensur werde immer anspruchsvoller und differenzierter, meint Charlie Smith von GreatFire. "Anstatt sensible Themen komplett zu blockieren, filtern sie nur bestimmte Posts heraus", erklärt Smith.
Auf GreatFire heißt es: "Das ist ein Beispiel für besonders niederträchtige Zensur: Anstelle der sonst üblichen Meldung, dass der Begriff nicht zulässig ist, werden die Nutzer im Glauben gelassen, dass das, was sie suchen, nicht zu den sensiblen Inhalten gehört. Und darüber hinaus wird ihnen vorgegaukelt, dass niemand sich für das Thema interessiert." Die Folge ist: Die Nutzer lassen ihre Fingern von solchen Themen.
Katz-und-Maus-Spiel
Chinas Zensoren versuchen also effektiver zu werden. Das jedoch, so Charlie Smith, sei lediglich die nächste Runde im Katz-und-Maus-Spiel zwischen Regierung und Aktivisten. "Die Natur des Internets, der Informationsfluss und die immer weiter steigende Nutzung von mobiler Technik, das alles macht es für autoritäre Regimes immer schwieriger, die Sache zu kontrollieren", so Smith. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die chinesischen Netzbürger, erkennen, dass die Information, die sie bekommen dürfen, 'bereinigt' sind."
Die Macher von Free Weibo sind ganz versessen darauf, diesen Mechanismus zu Fall zu bringen. Charlie Smith: "Und er wird fallen."