Unruhen nach Pinochets Tod
11. Dezember 2006Der chilenische Ex-Diktator Augusto Pinochet ist am Montag (11.12.2006) in einer Offiziersschule in der Hauptstadt Santiago de Chile im offenen Sarg aufgebahrt worden. Dort nahmen Familienangehörige Abschied von dem am Vortag im Alter von 91 Jahren gestorbenen ehemaligen Militärmachthaber. Vor dem Gebäude warteten mehrere hundert Menschen auf Einlass.
Die Lage in Chile war nach nächtlichen Unruhen mit 49 Verletzten und 99 Festgenommenen zunächst wieder ruhig. Am Sonntagabend hatten Tausende den Tod des Diktators mit Champagner und Jubelchören gefeiert. Sie riefen: "Es ist Karneval! Der General ist tot!" Als die Polizei die Menge mit Wasserwerfern und Tränengas am Marsch auf den Präsidentenpalast hindern wollte, warfen Demonstranten mit Steinen und Flaschen nach den Sicherheitskräften. Andere rissen Ampelanlagen nieder und zerstörten Fensterscheiben. Es gab mehrere Festnahmen. Auch in anderen chilenischen Städten gab es laut Polizei Kundgebungen von Pinochet-Gegnern. Diese verliefen weitgehend friedlich.
Kapitel Menschenrechtsverletzungen nicht schließen
Unterdessen mehrten sich Stimmen des Bedauerns, dass Pinochet nicht für die schweren Menschenrechtsverbrechen während seiner Herrschaft (1973-1990) verurteilt wurde. Die Chile-Expertin der Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai), Virginia Shoppee, appellierte am Montag in London an die chilenische Justiz, die Verfahren gegen weitere Verantwortliche der Diktaturverbrechen fortzuführen. "Chile kann das Kapitel Menschenrechtsverletzungen jetzt nicht schließen, die Opfer sollen zumindest symbolisch entschädigt werden."
Die chilenische Parlamentarierin Isabel Allende plädierte sogar dafür, dass die Gerichtsverfahren gegen Pinochet auch nach dem Tod des Ex-Diktators fortgeführt werden. Die Tochter des von Pinochet gestürzten sozialistischen Staatspräsidenten Salvador Allende sagte in Madrid: "Mit dem Tod von Pinochet ist kein Kapitel abgeschlossen worden, weder das der Gerechtigkeit noch das der Verantwortung."
Kein Staatsbegräbnis für den Ex-Diktator
Die sozialistische chilenische Staatspräsidentin Michelle Bachelet, selbst Opfer Pinochets, ordnete unterdessen an, dass Pinochet kein Staatsbegräbnis bekommen werde. Stattdessen solle er am Dienstag als früherer Chef der Streitkräfte beigesetzt werden. Als höchste Vertreterin der Regierung werde Verteidigungsministerin Vivianne Blanlot an der Messe teilnehmen.
Die USA bekundeten ihre Solidarität mit den Opfern der Militärdiktatur. Die Pinochet-Diktatur sei eine der schwierigsten Zeiten in der Geschichte Chiles gewesen, sagte ein Sprecher von US-Präsident George W. Bush. Der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva sagte, die Ära Pinochet symbolisiere "eine düstere Phase in der Geschichte Südamerikas". In jener Zeit habe es in der Region "eine lange Nacht" gegeben, in der "die Lichter der Demokratie von autoritären Staatsstreichen gelöscht wurden".
Beileid aus London
Der frühere französische Kulturminister Jack Lang betonte: "Der Name Pinochet bleibt unauflöslich mit den schwärzesten Stunden des lateinamerikanischen Faschismus und den schlimmsten Taten des amerikanischen Imperialismus verbunden. Sein Schicksal verhindert leider, dass dem so hart unterdrückten, gedemütigten, gefolterten, bestohlenen chilenischen Volk volle Gerechtigkeit widerfährt. Welch Kontrast zu der hohen Figur Salvador Allendes, des von Pinochets Horden roh abgesetzten Befreiers Chiles."
Die frühere britische Regierungschefin Margaret Thatcher zeigte sich dagegen "tief betrübt" über den Tod von Pinochet. Der Diktator hatte die Regierung Thatcher während des Falkland-Kriegs gegen Argentinien 1982 unterstützt. (chr/ana)