Frieden in Kolumbien?
5. September 2012Es war ein großer Tag für Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos und seinen Gegenspieler von der FARC-Guerilla. Ihre Auftritte hätten kaum gegensätzlicher sein können.
Santos - ernster Blick, dunkelblauer Anzug - trat im imposanten Ambiente von Bogotas Präsidentenpalast vor die Kameras. Hinter ihm goldverzierte Spiegel, ein glitzernder Kronleuchter und zwei Wachen der Präsidialgarde.
FARC-Chef Rodrigo Londoño Echeverri alias "Timoschenko" gab sich, wie es sich für einen Guerillero gebührt, schlichter. Olivgrüne Uniform und Mütze, im Hintergrund tropische Vegetation.
Kurz hintereinander wandten sich Santos und Timoschenko am Dienstag (04.09.2012) aus Palast und Wildnis an das kolumbianische Volk. Die Botschaft von Präsident und Guerilla-Führer: Frieden, ein Ende des jahrzehntelangen Bürgerkriegs, ist möglich. Ab dem 5. Oktober wollen die Regierung und die linksgerichtete FARC-Guerilla offiziell über ein Ende des Krieges verhandeln. Zunächst in Norwegens Hauptstadt Oslo, später dann in der kubanischen Hauptstadt Havanna.
Das Töten geht weiter
Trotzdem ist vorerst kein Ende der Gewalt in Kolumbien in Sicht. Weder die Regierung noch die Guerilla wollten sich auf einen Waffenstillstand während der Verhandlungen einlassen. "Es wird keinen Stopp der Militäraktionen geben", erklärte Präsident Santos. "Auf diesem Gebiet machen wir keine Zugeständnisse."
Und so wird auch die FARC ihre Angriffe fortsetzen. Santos bat die Kolumbianer um Geduld. "Nach den Vorgesprächen mit der Guerilla bin ich überzeugt, dass wir eine reale Chance haben, den bewaffneten Konflikt definitiv zu beenden." Santos versprach schnelle Ergebnisse: "Es geht um Monate, nicht um Jahre." Ohne Kompromissbereitschaft der Guerilla werde die Regierung die Gespräche allerdings schnell wieder abbrechen.
Guerilla-Chef Timoschenko betonte in seiner Videobotschaft, dass die Guerilla einen "dauerhaften, gerechten und demokratischen Frieden" wolle. Das ganze Land müsse an den Friedensverhandlungen teilnehmen: "Der Frieden ist eine Frage, die alle angeht."
Hoffnung und Skepsis in der Bevölkerung
In Kolumbien herrscht seit mehr als 40 Jahren Bürgerkrieg. Hunderttausende sind im Konflikt zwischen der Regierung, der linksgerichteten Guerilla und rechtsextremen paramilitärischen Todesschwadronen gestorben. Mehr als fünf Millionen Menschen sind aus den Konfliktregionen in andere Landesteile geflohen.
Die meisten Kolumbianer sind kriegsmüde. Rund 60 Prozent, so eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup, begrüßen die Friedensgespräche. Allerdings ziehen noch immer 37 Prozent eine militärische Lösung vor.
Auch Alvaro Uribe, Vorgänger von Präsident Santos, hat immer für die militärische Lösung plädiert. Uribe lehnt die Verhandlungen ab: Er könne nicht verstehen, wie die Regierung Gespräche führen könne, während die FARC weiter Menschen ermorde. Das sei eine schlimme Entwicklung für das Land.
Auch aus dem Militär gibt es kritische Stimmen. Angesichts der schwierigen Sicherheitslage im Südwesten des Landes, so Harold Bedoya, ehemaliger Kommandant der Streitkräfte, sei jetzt nicht der richtige Moment für Friedensverhandlungen. Bedoya hält die Verhandlungen für ein Wahlkampfmanöver. Präsident Santos habe an Popularität verloren und wolle nur seine Wiederwahl in zwei Jahren sichern.
Die Skepsis gegenüber dem Friedenswillen der FARC ist auch bei den Befürwortern von Verhandlungen groß. María Victoria Llorente ist Direktorin der Vereinigung "Ideen für den Frieden". Auch Llorente glaubt, dass Gespräche der einzige Weg für eine Lösung des Konflikts sind. Allerdings müsse die FARC beweisen, dass sie tatsächlich bereit sei, die Waffen niederzulegen. Die Kolumbianer hätten schon zu viele Enttäuschungen erlebt. Schon mehrmals sind Gespräche mit der Guerilla gescheitert.
Schwierige Agenda
Der letzte Verhandlungsversuch mit der Guerilla zur Jahrtausendwende scheiterte auch an einer Überladung der Agenda. Deswegen wollen sich die Verhandlungsparteien diesmal auf zentrale Themen konzentrieren. Hauptpunkt ist der Weg zu einer Einstellung der Kampfhandlungen. Hier gilt es viel gegenseitiges Misstrauen abzubauen. Die FARC hat nicht vergessen, dass das Militär in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe ihrer Anführer getötet hat.
Mindestens genauso wichtig ist die Anerkennung der FARC als politische Kraft und ihre Einbindung in die demokratischen Strukturen des Landes. Dazu gehören auch Sicherheitsgarantien: Denn schon einmal wurde mit der Union Patriotica eine ganze Gruppe ehemaliger Guerilleros, die ihre Waffen niedergelegt hatten, von Todesschwadronen ausgelöscht.
Gleichzeitig muss geklärt werden, in welcher Form sich die Guerilleros für die von ihnen begangenen Menschenrechtsverletzungen verantworten müssen. Vielen FARC-Leuten droht außerdem wegen ihrer Beteiligung am Drogenhandel die Auslieferung in die USA. Ohne die Zusicherung geringer Strafen und des Schutzes vor Auslieferung werden die Betroffenen wohl kaum die Waffen niederlegen. Kritiker befürchten eine neue Welle der Straflosigkeit.
Ein weiterer kritischer Punkt der Verhandlungen: Die FARC soll auf ihre Einnahmen aus dem Drogenhandel verzichten. Ob dazu tatsächlich alle FARC-Kämpfer bereit sind, ist zumindest fraglich. Schließlich ist der Drogenhandel ein gutes Geschäft.