Frostiger Händedruck
10. November 2014Mit einem längeren Händedruck zwischen den Regierungschefs hat im schwierigen Verhältnis der beiden Nachbarstaaten China und Japan Tauwetter eingesetzt. Die nur 25 Minuten lange Begegnung am Montag (10.11.2014) in Peking sollte den Auftakt für eine Verbesserung der Beziehungen bilden. Drei Tage zuvor hatten sich die beiden Länder überraschend darauf geeinigt, “schrittweise einen politischen, diplomatischen und die Sicherheit betreffenden Dialog wiederaufzunehmen”. Doch vor den Kameras blieb die Atmosphäre frostig. Xi gab Abe mit versteinertem Gesicht die Hand, beide Politiker verzogen keine Miene.
"Dies war der erste Schritt für Japan und China, um zum Ausgangspunkt für gegenseitig nützliche Beziehungen, auf Grundlage gemeinsamer strategischer Interessen, zurückzukehren", erklärte der japanische Regierungschef nach dem Treffen. Man werde die Bemühungen um einen Dialogbeginn zwischen beiden Nationen hinter den Kulissen fortsetzen, versprach Abe. Ein zurückhaltender Präsident Xi mahnte Japan, auf dem Pfad der friedlichen Entwicklung zu bleiben und eine kluge militärische Sicherheitspolitik zu machen. Xi blieb also bei seiner kritischen Haltung gegenüber Japan.
Kein großer Durchbruch?
Ein japanischer Regierungssprecher beschrieb die Atmosphäre bei dem Treffen als "ernsthaft". Xi habe Abe wie ein Gentleman begrüßt und entspannt genickt, als Abe ihm vom Besuch einer chinesischen Ballettaufführung berichtete. Beide Politiker verabredeten Gespräche über eine Art heißen Draht zwischen beiden Seiten zur Vermeidung eines militärischen Konflikts um die Inselgruppe, die in Japan Senkaku und in China Diaoyu heißt. Damit haben Xi und Abe grünes Licht für bilaterale Verhandlungen auf Beamtenebene gegeben.
Doch Robert Dujarric vom Asien-Institut des Japan-Ablegers der amerikanischen Temple-University in Tokio hält das Treffen in Peking unter Verweis auf die kurze Dauer für keinen größeren Durchbruch. In der gemeinsamen Erklärung vom Freitag (07.11.2014) vor dem Treffen von Abe und Xi habe keine Seite ihre bisherige Position aufgegeben. Tatsächlich bekam China weder das Eingeständnis von Japan, dass die Inselgruppe als Territorium umstritten sei, noch den offiziellen Verzicht von Abe auf weitere Besuche im Yasukuni-Schrein. Allerdings wurde über ein privates dahingehendes Versprechen spekuliert.
Auch Ostasien-Experte Liu Jiangyong von der Tsinghua-Universität verneint gegenüber der Deutschen Welle, dass zwischen Peking und Tokio "das Eis gebrochen" worden wäre: "In seiner ersten Amtszeit (2006-7) hatte Abe davon abgesehen, den Yasukuni-Schrein für die Kriegstoten zu besuchen. Damals hatte Peking ihn offiziell zum Staatsbesuch eingeladen. Solche Schritte waren eine Chance, um die chinesisch-japanischen Beziehungen zu verbessern." Das jetzige Treffen bietet laut Liu Jiangyong höchstens die Chance für weitere künftige Dialoge.
Tektonische Verschiebung in Asien
Nach Ansicht von Beobachtern will China den Asien-Pazifik-Gipfel in Peking dafür nutzen, seinen Führungsanspruch für den größten Kontinent zu unterstreichen. Die Verweigerung eines Treffens zwischen Xi und Abe wäre ein schwerer Verstoß gegen das diplomatische Protokoll gewesen und hätte den Apec-Gipfel überschattet. Daher nutzten beide Seiten diese Chance, um die bilateralen Spannungen zu verringern. Doch am Grundkonflikt hat sich nichts geändert: China will wieder das Reich der Mitte werden und Japan als bedeutendste Nation Asiens ablösen.
Der frühere Herausgeber von Japans liberaler Zeitung Asahi Shimbun, Yoichi Funabashi, spricht von einer "tektonischen Verschiebung" in Asien. Das Jahrhundert der japanischen Dominanz gehe zu Ende. 1894/5 hatte Japan im sino-japanischen Krieg China und zehn Jahre später auch Russland besiegt. Trotz der Niederlage im Zweiten Weltkrieg gelang Japan als einziger nicht-westlicher Nation der Aufstieg in die Reihen der Industrieländer. Nun kehrt China nach drei Jahrzehnten starken Wachstums in seine alte Rolle in Asien zurück. Es sei ein herbes Erwachen für Japan, dass es nicht mehr Nummer eins in Asien sein soll, sagte Funabashi der "Financial Times"
Abkehr vom Pazifismus
Japans Premierminister Shinzo Abe will diesen Prozess des Machtwechsels in Asien verzögern. Mit dieser Absicht hat er in seinen bisherigen zwei Regierungsjahren die militärische Kooperation mit den USA intensiviert und die pazifistischen Beschränkungen der japanischen Verfassung gelockert. Zudem besuchte Abe mehr als fünfzig Länder, um den globalen Einfluss Chinas zurückzudrängen. Auch seine Wirtschaftspolitik der "Abenomics" zielt letztlich auf eine Stärkung der Nation ab. Eine vermehrte Frauenarbeit zum Beispiel soll ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung trotz sinkender Bevölkerungszahl verhindern.
Dieser neue Selbstbehauptungswillen Japans hat China offenbar überrascht. Daher hat Präsident Xi wenig Interesse daran, Abe aufzuwerten und dabei den Kurswechsel in Tokio zu legitimieren. Andererseits will die chinesische Seite eine Konfrontation mit Japans Bündnispartner USA im Inselstreit vermeiden, nachdem Präsident Barack Obamba Japan versprochen hat, die umstrittenen Eilande gegen China zu verteidigen. Zudem möchte China noch eine Zeitlang vom technologischen Know-how Japans profitieren. Diese Faktoren sprechen dafür, dass das Tauwetter anhalten wird, aber dass es zwischendurch auch rasch wieder frostig werden kann.