Kinogenie
15. März 2007Der große Erfolg des "Neuen Deutschen Films“ ist eng mit dem Namen Rainer Werner Fassbinder verbunden. Er war in den 1970er Jahren bis zu seinem Tod 1982 das pulsierende Herz des deutschen Kinos. Mit seiner unglaublichen Produktivität - Fassbinder drehte innerhalb von 14 Jahren rund 40 Filme - sorgte er im In- und Ausland für Furore.
Noch heute verbindet man in Kinonationen wie Frankreich oder den USA den Erfolg des deutschen Kinos vor allem mit dem Namen Fassbinder. Aus Anlass des 25. Todestags des Regisseurs laufen auf Filmfestivals Fassbinder-Retrospektiven, es werden restaurierte Fassungen seiner Werke gezeigt. Im Februar wurde auf der Berlinale die rekonstruierte und digital aufgefrischte Version seiner mehrteiligen Fernsehbearbeitung von Alfred Döblins "Berlin Alexanderplatz“ gezeigt. Von der Fassbinder-Renaissance profitieren auch die DVD-Fans.
Fast alle Kinofilme Fassbinders auf DVD
Seit 2003 erscheinen die Kinofilme Fassbinders beim Anbieter Kinowelt. Dort liegen jüngere Fassbinder-Klassiker wie "Lili Marleen“ oder "Die Sehnsucht der Veronika Voss“ vor, aber auch Werke aus der frühen Schaffensphase des unruhigen Genies. Hier eine kleine Auswahl gerade neu erschienener Fassbinder-Filme auf DVD:
"Liebe ist kälter als der Tod" (1969)
Die Geschichte eines von Fassbinder selbst gespielten Zuhälters. RWF: "Was übrig bleibt, wenn man diesen Film gesehen hat, das ist nicht, dass hier jemand sechs Leute ermordet hat, dass es hier ein paar Tote gegeben hat, sondern dass hier arme Leute waren, die nichts mit sich anfangen konnten, die einfach so hingesetzt wurden, wie sie sind und denen keine Möglichkeit gegeben wurde, die einfach keine haben, die schlichtweg keine Möglichkeit haben.“
"Der amerikanische Soldat" (1970)
Eine deutsche Film Noir-Variante um drei Polizisten, die für ihre Zwecke einen Berufskiller anheuern. RWF: "Der Film zeigt, was in deutschen Köpfen hängen bleibt von den vielen amerikanischen Gangsterfilmen, die jeder sieht. Mit mir hat das nichts zu tun. Ich habe nicht versucht, einen amerikanischen Gangsterfilm nachzuahmen, ich wollte einen Film machen über Leute, die viel amerikanische Gangsterfilme gesehen haben.“
"Händler der vier Jahreszeiten" (1971)
Die Geschichte des Münchner Obsthändlers Hans Epp, der von seiner Umwelt in eine von ihm als aufgezwungen empfundene Rolle gedrängt wird und der sich zum Schluss zu Tode säuft. "Kein anderer Film Fassbinders ist von der Kritik mit so viel Zustimmung aufgenommen worden. (…) Was die Kritiker überwältigte und was auch heute überzeugt, ist die Einfachheit, mit der Fassbinder seine Geschichte erzählt, die Souveränität, mit der er den aus unzähligen Trivialfilmen, vor allem dem Melodrama, gegebenen Rahmen mit Leben füllt.“ (Wilhelm Roth)
"Angst essen Seele auf" (1973)
"'Angst essen Seele auf' gehört zu jenen Filmen, die sich ganz unmittelbar und konkret mit einem wenig spektakulären, simplen Alltag in der BRD auseinandersetzen. Er erzählt von Liebe und Ehe einer Witwe und einem um 20 Jahre jüngeren Gastarbeiter aus Marokko. (...) Es ist Fassbinders einfache Erzählweise, die Zärtlichkeit gegenüber den Figuren, hinter der jeder spürbare Kunstwille zurücktritt, die die Qualität des Films ausmacht.“ (Hans Günter Pflaum/Hans Helmut Prinzler)
Die Kinofilme Fassbinders erscheinen beim Anbieter Kinowelt/Arthaus.
Opus Magnum "Berlin Alexanderplatz"
Die Geschichte des Franz Biberkopf war eine Herzensangelegenheit des Regisseurs, der den Roman Döblins aus dem Jahre 1929 bewundert hat. Die Fernsehfassung von "Berlin Alexanderplatz“, 13 Teile plus Epilog, war bei der erstmaligen Fernsehausstrahlung 1980 eine höchst umstrittene Angelegenheit. Vor allem die Springer-Presse nahm die TV- Serie unter Beschuss. Vielen Fernsehzuschauer war das Epos zu düster. Der Kritiker Wilhelm Roth schrieb damals: "Die Serie war eine Herausforderung ans Fernsehen und an seine Zuschauer. Aus dem Mittelmaß des Fernsehalltags ragt dieses persönliche Bekenntnis weit heraus.“
"Berlin Alexanderplatz" liegt jetzt mit umfangreichem Bonus-Material auf DVD in einer Edition der "Süddeutschen Zeitung" vor.
Der besondere DVD-Tipp im März
Rainer Werner Fassbinder hat aus seiner Homosexualität nie einen Hehl gemacht. Auch in vielen seiner Filme hat er sich direkt oder indirekt mit dem Thema Homosexualität beschäftigt. Auch in dieser Hinsicht war er ein Vorreiter in der deutschen Kinogeschichte. Es gibt nur wenige Filme, die sich vorher offen mit Homosexualität beschäftigt haben. In der DVD-Reihe "Edition Filmmuseum" erschienen ist gerade "Anders als du und ich" von Regisseur Veit Harlan. Der Film aus dem Jahre 1957 war eines der letzten Werke des als "Nazi“-Regisseur bekannt gewordenen Veit Harlan, der während des Zweiten Weltkriegs mit Propagandastreifen wie "Jud Süß" und "Kolberg“ 'berühmt' wurde.
"Anders als du und ich“ ist ein "Film über jugendliches Aufbegehren gegen ein autoritäres Elternhaus. Ein Film über eine Mutter, die verzweifelt einen Rechtsbruch begeht, um ihren Sohn wieder auf die 'richtige Bahn' zu bringen. Ein Film gegen den Paragraphen 175, der homosexuelle Aktivitäten ins schummrige Milieu verbannt. Veit Harlan, im Dritten Reich als Protegé von Joseph Goebbels Star-Regisseur historischer Schlachtenfilme, todessüchtiger Melodramen und des antisemitischen Propagandafilms 'Jud Süß', wagte mit seinem Nachkriegsfilm 'Anders als du und ich' viel, und setzte sich doch wieder zwischen alle Stühle.“ (Stefan Drössler/Münchner Filmmuseum)
Der Film "Anders als du und ich" ist in der DVD-Reihe "Edition Filmmuseum" erschienen. Preis: 19.95 Euro.